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Cover des Buches [(Elizabeth)] [by: David Starkey] (ISBN: B00F3Y0M3I)
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Rezension zu "[(Elizabeth)] [by: David Starkey]" von David Starkey

Andreas_Oberender
Lehrjahre einer Königin

Kaum ein anderer britischer Historiker und Autor hat im letzten Vierteljahrhundert so viel zum "Tudor-Boom" beigetragen wie David Starkey. Jeder Tudor-Enthusiast kennt seine Bücher und Fernsehsendungen. Bei Starkey verbindet sich profunde Sachkenntnis mit dem Talent, Geschichte im besten Sinne populärwissenschaftlich aufzubereiten. Starkey versteht es, komplexe historische Sachverhalte in einer einfachen und verständlichen Sprache zu präsentieren. Seine Texte bestehen aus kurzen und mittellangen Hauptsätzen, die angenehm leicht dahinfließen. Es ist daher kein Wunder, dass Starkeys Bücher bei historisch interessierten Laien so viel Anklang finden. Zu Starkeys bekanntesten und erfolgreichsten Werken zählt das Buch über die Jugendjahre Königin Elisabeths I. Es ist im Zusammenhang mit einer vierteiligen TV-Dokumentation entstanden, die im Jahr 2000 ausgestrahlt wurde. Zu Recht weist Starkey darauf hin, dass Elisabeths Leben vor der Thronbesteigung 1558 in vielen Biographien recht knapp behandelt wird. Die Frage, wie die ersten 25 Lebensjahre Elisabeth geprägt haben, wird entweder gar nicht gestellt oder nur oberflächlich erörtert. Genau diese Frage steht im Mittelpunkt des Buches. Starkey beleuchtet die Faktoren, die für Elisabeths Persönlichkeitsentwicklung von Bedeutung waren: Zum einen Bildung, Religion und zwischenmenschliche Beziehungen, zum anderen die prekäre Stellung als Thronerbin.

Mit fast 330 Textseiten ist das Buch unnötig umfangreich. Starkey erzählt eine Geschichte, die seit langem gut bekannt ist. Er reichert diese Geschichte mit vielen Details an, die zwar für Farbigkeit und Anschaulichkeit sorgen, Elisabeths Kindheit und Jugend aber nicht in einem neuen Licht erscheinen lassen. Bevor sie 1558 ihrer Halbschwester Maria auf dem Thron folgte, erlebte Elisabeth Höhen und Tiefen: Nach der Hinrichtung ihrer Mutter Anne Boleyn 1536 wurde sie zum Bastard erklärt und von der Thronfolge ausgeschlossen. In den 1540er Jahren nahm Heinrich VIII. seine Tochter wieder in die Thronfolge auf, ohne sie aber zu legitimieren. Während der Herrschaft ihres Halbbruders Eduard spielte Elisabeth keine nennenswerte Rolle. Sie führte ein zurückgezogenes Leben ohne engere menschliche Bindungen. Ihr soziales Umfeld beschränkte sich auf die Mitglieder ihres Hofstaates. Elisabeths Status änderte sich erst, als Eduard VI. 1553 kinderlos starb. Da auch Königin Maria I. kinderlos blieb, avancierte Elisabeth zur Thronerbin. Als bekennende Protestantin wurde sie zur Hoffnungsträgerin für all jene Engländer, die Königin Marias Rekatholisierungspolitik ablehnten. Sie gewann eine politische Anhängerschaft, ohne viel dafür tun zu müssen. Etliche von Elisabeths Gefolgsleuten und Sympathisanten waren in Komplotte gegen Maria verwickelt. Die Prinzessin geriet dadurch selbst in Gefahr. Sie war eine Weile im Tower inhaftiert und lebte längere Zeit unter Hausarrest. Erst auf dem Totenbett akzeptierte Maria ihre ungeliebte Halbschwester als Thronerbin.

Elisabeth erhielt eine ausgezeichnete Erziehung. Sie war hochgebildet und sprachgewandt. Doch wichtiger als schulische Lektionen waren für Elisabeth die Lektionen, die ihr das Leben beibrachte. Die Prinzessin entwickelte frühzeitig Nervenstärke und Selbstbeherrschung. Sie lernte, dass Misstrauen gegenüber anderen Menschen, die Kunst der Verstellung und eine verschleiernde Rhetorik überlebensnotwendig waren. Als Elisabeth auf den Thron gelangte, war sie alles andere als eine naive und weltfremde junge Frau. Zwar fehlte es ihr an politischem Sachverstand, aber sie verfügte bereits über viele Charaktereigenschaften und Fähigkeiten, die für die Ausübung des Königsamtes unerlässlich waren. Besondere Aufmerksamkeit widmet Starkey der Entwicklung von Elisabeths religiösen Anschauungen. Unter dem Einfluss ihrer Stiefmutter Catherine Parr, der sechsten Gemahlin Heinrichs VIII., wandte sich Elisabeth einer moderaten Form des Protestantismus zu. Sofort nach dem Thronwechsel im Herbst 1558 beendete sie die von ihrer Schwester betriebene Rekatholisierung Englands. Elisabeth hatte jedoch auch für die radikalen Strömungen des Protestantismus nichts übrig. Die Kirchenordnung, die sie ihrem Land 1559/60 gab (sogenanntes "Elizabethan Settlement"), war ein eigenartiger Zwitter, ein Kompromiss, der katholische und protestantische Elemente zu kombinieren versuchte. Elisabeths Hoffnung, mit dieser Kompromisslösung die konfessionelle Spaltung in England zu überwinden, erfüllte sich nicht. Sowohl Katholiken als auch radikale Protestanten (Puritaner) lehnten die Anglikanische Staatskirche ab. Mit dem Ausblick auf künftige Konflikte, die aus der Religionsfrage erwuchsen, endet das Buch.

Beim Lesen drängt sich mehrfach der Eindruck auf, dass Starkey aus der Geschichte, die er erzählt, mehr herausholen will, als das Quellenmaterial hergibt. Selbstzeugnisse der jungen Elisabeth sind gering an Zahl. Einblicke in die Gedanken und Gefühle der Prinzessin und Thronfolgerin sind aufgrund des Mangels an geeigneten Quellen nur in Ansätzen möglich. Mitunter gleitet Starkey in Spekulationen ab. Er ist überzeugt, dass Elisabeth in den 1540er Jahren, nach ihrer "Rehabilitation", ein gutes Verhältnis zu ihrem Vater hatte. Stichhaltige Belege für diese These gibt es nicht. Man darf nicht vergessen: Wenn die junge Elisabeth ihren Vater traf, dann stand sie dem Mann gegenüber, der ihre Mutter aufs Schafott geschickt hatte. Keine andere Prinzessin – und spätere Herrscherin – der europäischen Geschichte musste je mit einer solchen Last leben. Starkey zeichnet das Porträt einer jungen Frau, die sich von Gefährdungen und Widrigkeiten nicht entmutigen ließ und die Krone stets kühl im Blick behielt. Sie wartete ab, beobachtete und lernte, zog Schlüsse aus den religionspolitischen Fehlern ihrer Geschwister Eduard und Maria. Es fällt auf, wie gut Elisabeth und ihre Sympathisanten auf den Thronwechsel vom Herbst 1558 vorbereitet waren. Selbstbewusst stellte sich Elisabeth den Herausforderungen, die vor ihr lagen. Sie war bereit, die Opfer zu erbringen, die das Königsamt von ihr verlangte. Erfüllende zwischenmenschliche Beziehungen blieben Elisabeth zeitlebens weitgehend versagt. Als Königin war Elisabeth genauso einsam wie zuvor als Prinzessin und Thronerbin. Sie stellte ihr Leben ganz in den Dienst der Politik und ihres Landes. Aus diesem Opfer erwuchs ihre historische Größe. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Februar 2017 bei Amazon gepostet)

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