Reichtum - der größte Verführer aller Zeiten
von SelmaNentwig
Kurzmeinung: Ein einziger gelungener Streich!
Rezension
Würde man drei Weise bitten, über das Buch von Dennis Gastmann zu schreiben, sie würden drei verschiedene Geschichten erzählen:
Der Bewunderer berichtet von einem der besten Bücher, die der Planet je gesehen hat. Geistreich, sprachgewandt, humorvoll und echt wie sein Autor. Ohne ihn wäre ein Buch nur ein Buch. Seelenloses Papier. Ein schlauer Fuchs schlüpft in ein Pinguin-Kostümchen und redet mit den „großen Tieren“. Tarnung ist alles! Heitere Camouflage. Meisterhaft gegockelt!
Der Neidische erzählt von einer glitzernden Aufzählung gesammelter Storys über Pfeffersäcke, denen das Geld zugeflogen ist, durch den Zufall ihrer Geburt, Heirat oder Lug und Trug. Die Hauptdarsteller sind Diebe. Sie rotten sich in einer geschlossenen Gesellschaft zusammen und harren gemeinsam aus um nichts von ihrem Reichtum abgeben zu müssen. Gated Community. Er würde den Scharlatanen ins Gewissen reden wollen. Welches Gewissen? Der Neidische vermißt einen Krösus der Ballast abwirft, spendet oder verzichtet. Fehlanzeige! Außer dem einen. Ein entflohener arabischer Papagei, grau mit rotem Schwanz. Der Wüstensohn hatte genug vom goldenen Käfig. Verschwörungstheoretiker sind sich sicher: Der gefiederte Held sitzt jetzt in den Blättern einer Palme und kreischt: Willkommen auf Star-Island!
Der Psychologe macht aus dem Buch ein Drama. Ein Märchen mit traurigen Zügen. Über allem Glanz und Gloria schwingt ein Hauch Melancholie. Erinnert an die bleierne Bürde von Erbe und Besitz. Geld ist nicht grundsätzlich böse. Es ist wie Alkohol. Auf die Dosis kommt es an, sonst macht man sich am Ende noch lächerlich. (wenn es nicht so traurig wär). Die Welt der Reichen ist ein Gefängnis und sie haben sich selbst darin eingeschlossen.
Und der Trost des kleinen Mannes?
Wer viel hat und nichts muss, darf auch keine Wunder vom Leben erwarten! Kein Kribbeln mehr. Kein Kessel Brausepulver. Nur noch Langeweile.
Würde man mich zum Buch befragen?
Man kann es auf viele Arten interpretieren. Unterm Strich enthält es vorallem viel kluge Wahrheit. Man wünscht, es wäre ein niedlicher Phantasieroman. Doch blicken wir der Realität ruhig ins Auge. Frei von Neid und ohne Drama. Nur eine gescheite Portion Ironie muss erlaubt sein. Sonst wäre das Reich der Reichen nicht auszuhalten. Dem Autor ist das gelungen. Er hat hervorragend recherchiert, scharfsichtig beobachtet, Respekt gewahrt und mit genialer Komik erzählt. Hat durch unaufgeregte Fragen bereits Antworten geliefert. Sich dabei hoffentlich nicht infiziert.
Ein einziger gelungener Streich!