Cover des Buches Die Frau des Zoodirektors (ISBN: 9783453270824)
Igelmanu66s avatar
Rezension zu Die Frau des Zoodirektors von Diane Ackerman

Helden, die man kennenlernen sollte

von Igelmanu66 vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Schwer erträgliche Lektüre, trotzdem wundervoll zu lesen, wie mutig Menschen für andere eintreten können. Das macht Hoffnung!

Rezension

Igelmanu66s avatar
Igelmanu66vor 6 Jahren

Während seines ersten Monats im Amt erklärte Generalgouverneur Frank, dass »jeder Jude, der den Bezirk verlässt, der ihm zugewiesen ist«, mit dem Tode bestraft wird, ebenso »Menschen, die solchen Juden Verstecke ermöglichen … Hintermänner und Helfer werden ebenso bestraft wie die Täter; jeder absichtliche Versuch wird ebenso bestraft wie das eigentliche Vergehen.«

Warschau im 2. Weltkrieg. Die jüdische Bevölkerung wurde im Ghetto zusammengepfercht, die Nazis überziehen die gesamte Stadt mit ihrem Schrecken. Trotz eigener Notlage und drohender Gefahr gab es Menschen, die ihr Leben riskierten, um den jüdischen Mitmenschen zu helfen. Zwei von ihnen waren Jan und Antonina Zabinski, ein Zoodirektor und seine Frau, sie retteten mehr als 300 Juden das Leben. Dieses Buch erzählt ihre wahre Geschichte.

Als ich dieses Buch entdeckte, war ich gleich fasziniert. Menschen, die in einem Zoo versteckt wurden, Helden, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte. Da musste ich Genaueres erfahren!

Zu Beginn des Buchs ist für Jan und Antonina die Welt eigentlich noch in Ordnung. Es ist 1935 und die beiden sind glücklich mit ihrem Zoo, sind Tiermenschen, die ihren Tagesablauf komplett ihren Schützlingen angepasst haben. Antonina ist praktisch ständig damit beschäftigt, mutterlose Tierbabys aufzuziehen, egal ob Dachs, Rehkitz, kleine Luchse, Löwenbabys, Wolfswelpen, Adlerküken oder Affenbabys. Sie hat ein tiefes Gespür für jedes Tier, erfasst intuitiv dessen Ängste und Empfindungen. Der Leser weiß natürlich, dass diese Idylle keinen Bestand haben wird. Der aufziehende Krieg ändert alles. Jan schließt sich einer Untergrundbewegung an, wird aktiv im Widerstand und ist nur noch selten zuhause. Und wenn er kommt, hat er nicht selten einen Menschen dabei, dem er zuvor bei der Flucht aus dem Ghetto geholfen hat…

Eine wirklich spannende Geschichte wird hier erzählt. Besonders wichtig war für mich, dass es eine wahre Geschichte ist. Die mutige Aktion von Jan und Antonina hat mich schwer beeindruckt, allerdings wird auch immer wieder betont, dass die von ihnen durchgeführten Rettungsaktionen keine Einzelleistung waren, sondern erst durch Zusammenarbeit des gesamten Widerstands möglich wurden. In diesem Zusammenhang habe ich höchst interessante Dinge erfahren, zum Beispiel welche Wege es gab, Flüchtlinge aus dem Warschauer Ghetto zu schmuggeln. Oder dass ein Flüchtling mindestens ein halbes Dutzend verschiedener Papiere brauchte und im Schnitt siebeneinhalb Mal sein Versteck wechselte. Das Verstecken eines Menschen war sehr gefährlich, trotzdem riskierten zwischen 70.000 und 90.000 Bewohner in und um Warschau ihr Leben, um Nachbarn zur Flucht zu verhelfen. Zwei davon waren die Zabinskis.

Ihr Heim wird bald „Das Haus unter dem verrückten Stern“ genannt. Diesen Namen verdankt es der exzentrischen Mischung von Menschen und Tieren, die dort zusammenkam. Mittendrin Antonina, die alles organisiert, sich um alle kümmert und es sogar schafft, für Ablenkung zu sorgen. Ihr ungewöhnliches Einfühlungsvermögen funktioniert nicht nur bei Tieren, sondern auch bei Menschen. Mehrfach schafft sie es so, gefährliche Situationen zu entschärfen.

Der Bericht berührt und fesselt. Neben allem anderen sorgt sich Antonina auch um ihren kleinen Sohn, der inmitten des ganzen Wahnsinns aufwächst, nicht nur mit Angst und Not klarkommen muss, sondern auch mit dem Wissen, dass er über die Aktivitäten der Eltern zu niemandem ein Wort sagen darf, sie durch keine unbedachte Handlung verraten darf. Eine schwere Bürde für ein Kind! Antonina versucht ihm zu helfen, indem sie ihm aufträgt, sich um die Tiere im Haus zu kümmern. An sich eine schöne Ablenkung, aber leider muss der kleine Kerl erfahren, wie eins nach dem anderen nahezu alle seine tierischen Freunde zu Tode kommen. Spätestens an diesen Stellen schnürt sich dem tierlieben Leser der Hals zu. Schon die Kapitel zuvor waren schwer erträglich. Natürlich belastet in erster Linie die Ermordung vieler, vieler Menschen, doch der Tod der Tiere ist ebenfalls grausam. Da laufen beispielsweise Nazis durch den Zoo und „jagen“ zum Vergnügen die Tiere in ihren Gehegen.

Der Stil ist recht nüchtern, was dem Sachbuchcharakter des Buchs entspricht. Das muss man wissen, denn wer einen Roman erwartet, wird sich womöglich daran stören. Für mich war es völlig in Ordnung, ich hätte mir nur an einigen Stellen gewünscht, dass die Autorin nicht so abschweift. Immer wieder führt sie neue Personen ein, manchmal Retter, manchmal Opfer oder Flüchtige, manchmal Täter. Und erzählt dann so einiges über diese Personen, für mein Empfinden etwas zu viel und für die Handlung nicht notwendig. Hingegen hätte ich gerne gelesen, wie es Antonina nach dem Krieg weiter ergangen ist, aber dazu wurde leider kaum etwas gesagt.

Fazit: Ein Buch über Helden, die man kennenlernen sollte. Schwer erträgliche Lektüre, trotzdem wundervoll zu lesen, wie mutig Menschen für andere eintreten können. Das macht Hoffnung!

Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks