Cover des Buches Aufstieg und Fall des Wollspinners William Bellman (ISBN: 9783896675255)
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Rezension zu Aufstieg und Fall des Wollspinners William Bellman von Diane Setterfield

Außergewöhnliche, düstere Story mit emotionslosem Protagonisten

von Schmoekermaedchen vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Außergewöhnliche Story mit emotionslosem Protagonisten. Trotzdem sehr unterhaltsam, dank mystischer und düsterer Atmosphäre.

Rezension

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Schmoekermaedchenvor 9 Jahren

Der junge William Bellman lebt im England des 19. Jahrhunderts. Er ist attraktiv, arbeitet sich erfolgreich in die Wollspinnerei seines Großvaters ein, wird schließlich zum Teilhaber ernannt und es scheint immer deutlicher, dass alles, was dieser Wunderknabe anpackt, zu Gold wird. Die Frauenherzen fliegen Will nur so zu und schon bald gründet er eine Familie. Als plötzlich Onkel und Großvater sterben ist dies, wie der Titel schon vermuten lässt, nur der Anfang einer sich immer schneller windenden Spirale der Unglücks- und Todesfälle, denn über William Bellmans Leben liegt, seit seiner Kindheit, ein bedrohlich dunkler Schatten. Im Alter von 10 Jahren gelingt es ihm, mithilfe des perfekten Steins und einer selbstgebauten Zwille, aus unglaublicher Entfernung eine Krähe von einem Ast zu schießen. Doch Krähen vergessen nicht und so werden sie William zum stillen Begleiter.


Vom Eifer des Erfolges gepackt und als neuer Geschäftsführer völlig in die Unternehmensführung und seine neuen Geschäftsideen vertieft, bleibt William schließlich nur noch eine kleine Tochter, die ebenfalls schon im Sterben liegt. Doch auch im Angesicht ihres Todes, bleibt er der berechnende Geschäftsmann.


»Er machte sich der Krankheit vertraut. Beobachte. Verstehe. Handle. Er würde eine Lösung finden.«


Auf dem Friedhof, das Grab für seine Tochter ist bereits geschaufelt, entdeckt er schließlich eine schwarze Gestalt und der geschäftstüchtige Bellman wittert einen Deal. Doch ahnt er, welchen Preis er diesmal zahlen wird?


Die Idee der Story ist wahnsinnig interessant. Ein Pakt mit dem Teufel im 19. Jahrhundert - und auch den Krähen, die ja bereits das wunderschöne Cover zieren, werden im Buch zahlreiche Kapitel gewidmet. Es scheint allerdings fast, als hätte die Autorin diese einfach wahllos in die Geschichte eingestreut. Je poetischer und bedeutungsschwerer die Kapitel um die Krähen anmuten, desto eintöniger und kälter entwickelt sich die Geschichte um den Wollspinner Bellman, der zwar nahezu seine komplette Familie verliert, jedoch kaum fähig zu einer wahren Gefühlsregung ist. Die emotionalen Passagen werden leider recht kurz abgearbeitet und auch zur Hauptfigur baut sich keine so rechte Sympathie auf. William Bellman ist und bleibt der absolute Emotionszombie. Trotzdem passt dies zur Wandlung, die die Geschichte und der Protagonist nehmen, ich gebe jedoch zu, dass ein paar Seiten weniger zur Unternehmensstruktur und dafür etwas mehr Tiefe der Charaktere, dem Buch durchaus gut getan hätten.


Soviel zu den negativen Aspekten. Auch wenn hier vielleicht der Eindruck entsteht, das Buch wäre durchweg langatmig und emotionsarm, so erstaunt es mich fast selbst, wie gut ich mich trotzdem unterhalten fühlte. Dies lag vorallem an den ungemein gut recherchierten, sehr spannenden Einblicken in die Struktur eines Unternehmens des 19. Jahrhunderts und der Industrie dieser Zeit. Die Abläufe in der Wollspinnerei vermochten mich ebenso zu fesseln, wie die zahlreichen Überlegungen, die William anstellte, um immer mehr Gewinn aus seiner "Self-made-Goldgrube" zu schürfen.


Ich bin deshalb ein wenig hin- und hergerissen in meiner Bewertung. Einerseits erscheinen mir 400 Seiten etwas viel in Anbetracht der Tatsache, dass die Geschichte ein relativ voraussehbares Ende nimmt und das Wesentliche, nämlich der Pakt zwischen William und der dunklen Gestalt auf dem Friedhof, lediglich einen kleinen Teil darstellt. Auf der anderen Seite konnte mich das Buch wirklich sehr unterhalten, auch wenn ich das Gefühl hatte, die Seiten nicht ganz so schnell aufnehmen zu können wie üblich.


Schreibstil und Ausdrucksweise sind der Zeit angemessen und trotzdem äußerst angenehm zu lesen. Diane Setterfield hat mit "Aufstieg und Fall des Wollspinners William Bellman" einen Roman geschaffen, der die Gemüter spaltet. Auch wenn ich bisher unfassbar viele, vernichtende Rezensionen gelesen habe, hat mich die Geschichte fasziniert. Wer über jede Menge Spielraum für Interpretationen hinwegsehen kann und dafür den Reiz einer Geschichte, voll düsterer Atmosphäre und mystischen Passagen zu schätzen weiß, dem sei dieses Buch sehr ans Herz gelegt.

Ich habe meine Bewertung ein wenig aufgerundet und gebe, trotz der kleinen Abzüge

4 Sterne.

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