Ich bin ein großer Fan von Kindersachbüchern. Besonders liebe ich, wenn die künstlerische Gestaltung ebenso gelungen ist wie der Inhalt. Und ich finde toll, dass mein Sohn solche Bücher kennenlernen darf, denn in meiner Kindheit gab es doch eher wenig solche wundervollen Kindersachbücher.
Bei „Opa Mammut“ hat mir der Titel gleich ebenso gut gefallen wie das Cover und die Idee: Der 992-Ur-Opa erzählt seinen Enkeln von der Familie. Mein Sohn hat auch gleich die Urs, die zu Anfang wirklich alle 992 auf einer Seite abgedruckt sind, gezählt.
Bis hierher so gut.
Danach hat mich das Buch dann allerdings immer weniger begeistert. Das hat für mich zwei Hauptgründe:
Der eine ist, dass für mich wird hier die Balance zwischen historischer Darstellung und Fiktion nicht ausgeglichen ist. Es ist völlig legitim, dass in Kindersachbüchern auch Fiktionalisierung stattfinden (Geschichtsschreibung kommt laut Hayden White eh nie ohne narrative Strategien aus). Hier wirkte es auf mich aber gewollt und nicht gekonnt. Viele der Geschichtchen kommen mir aber beliebig und sehr bemüht vor. An vielen Stellen ist für mich auch nicht nachvollziehbar, warum die Autoren nun genau jene Zeit auswählen. 1600, also noch vor dem 30jährigen Krieg, ist mit Schulbesuch noch nicht so wirklich viel zu erzählen. Erst recht nicht für Mädchen. Aber genau dieses Jahr wurde für den Abschied Schule ausgewählt.
Der zweite Grund: Einige Sachen bekamen in der Verkürzung auf eine Seite pro Jahreszahl mit groß gesetztem Text einen sehr merkwürdigen Dreh. Es ist schon eine ganze Weile wissenschaftlicher Konsens, dass in der Frühgeschichte der Menschheit mitnichten ausschließlich die Männer Jäger waren und die Frauen ausschließlich Sammlerinnen. Das ist u.a. auf Interpretationen von Hobby-Archäologen im 19. und 20. Jahrhundert zurückzuführen. Hier wird aber erneut der Eindruck vermittelt. Okay, zum Glück habe ich mit meinem 9jährigen Sohn gelesen und konnte das gerade rücken.
Beim Buchdruck wird – leider wie so oft – so getan, als hätte es vor Guttenberg überhaupt keinen Buchdruck gegeben und wären Texte vorher ausschließlich per Hand geschrieben worden, statt klarzustellen, dass er als Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern gilt. Zudem wird damit zudem ignoriert, dass es in Asien bereits im 9. Jahrhundert gedruckt wurde und bewegliche Druckstempel gab es bereits zwei Jahrhunderte später. Es hat mich nicht überrascht am Endes des Buches zu lesen, dass beide Autoren keine Historiker sind, sondern Illustratoren. Die Schilderung über Weihnachten fand ich ebenfalls sehr misslungen. Ja, mensch kann Religion kritisch sehen, aber in dieser Verkürzung in einem Kinderbuch fühlte ich mich selbst als agnostischer Mensch unwohl.
Mein Sohn und ich mochten die Bilder und auch ein paar der Geschichten, aber der Grundeindruck war recht mau.
Fazit
Die Grundidee fand ich klasse – die Umsetzung eher mau. Auch Nicht-Historiker*innen können tolle historische Sachbücher schreiben. Hier fehlte mir aber die fachliche Genauigkeit. 2,5 von 5 Sternen, die ich gerade so noch aufrunde, weil ich einige Geschichten ganz hübsch fand.