Cover des Buches Schattengold (ISBN: 9783839210888)
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Rezension zu Schattengold von Dieter Bührig

Rezension zu "Schattengold" von Dieter Bührig

von leselust69 vor 13 Jahren

Rezension

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leselust69vor 13 Jahren
Eine Buchbewertung ist eine Frage der Lesegewohnheiten. Wer es gewohnt ist, schlicht gestrickte, lineare Krimis zu lesen, den wird dieses Buch überfordern. Wer es liebt, sich beim Lesen niveauvoll in eine andere Welt versetzen zu lassen, für den ist dieses Buch goldrichtig. Es ist kein Science-Fiction, aber auch kein realistischer Krimi. Es ist eine Gradwanderung zwischen Sein und Schein. Wer sich ein wenig in der Literatur auskennt, wird diese Tradition der "schwarzen Romantik" kennen: E.T.A. Hoffmann mit seinen Novellen "Das Fräulein von Scuderi" (der Vorlage für Hindemiths Oper "Cardillac") und "Der Sandmann" oder "Der dunkle Wächter" von Carlos Ruiz-Zafón. Der Roman enthält verschiedene Schichten. - Rein äußerlich handelt es sich um einen Krimi, in dem ein Exzentriker aus Eitelkeit und religiösem Wahn Raub und Mord begeht. - Die Handlung spielt in Lübeck. In Folge der teilweise detailgetreuen Darstellung der Handlungsorte, der Wiedergabe historisch belegter Geschehnisse, der Einbeziehung lokaler Sagen und der lebendigen Einblicke in die mittelalterliche Vergangenheit Lübecks ist das Buch nicht nur ein einfacher Reiseführer, sondern darüber hinaus auch eine spannende Einführung in das gesellschaftliche Leben und die Geschichte der Stadt. - Auf einer dritten Ebene steht die Auseinandersetzung mit Werken der Musikliteratur. Die Protagonisten werden über die verschiedenen Facetten ihrer Musik charakterisiert. Umgekehrt wirkt das Buch wie ein Versuch, Werke einer bestimmten Musikepoche (dem „Fin-de-Siècle“) mit literarischen Mitteln zu interpretieren. Das ist Musik, die in dem Spannungsfeld zwischen dem Eigenen und dem Fremden steht, welches sich gleichzeitig in den Charakteren widerspiegelt. - Dabei spielt das Problem der Kreativität eine wichtige Rolle. In dem Roman stehen sich Natürlichkeit und Künstlichkeit, Lifemusik und virtuelle Computermusik gegenüber, wobei die Grenzen der künstlichen Intelligenz bzw. der virtuellen Musikalität aufgezeigt werden. - Im Kern steht eine ansatzweise Auseinandersetzung mit der Philosophie der Zeit. Wie geht der Mensch mit dem Urphänomen Zeit um? Welche Rolle spielt die Musik beim Erleben von Zeit? Wie empfinden wir Zeit im Wechselspiel von Leben und Tod? Fazit: Ein sehr vielschichtiges Buch, ein Buch. das wie ein Musikstück komponiert ist. Ein Buch, das einlädt, es zweimal zu lesen. Immer wieder entdeckt man neue Details, neue Querverbindungen. Humorvoll ist es sicherlich nicht, wohl aber stellenweise sehr ironisch (Die periphäre Slapstick-Szene in den unterirdischen Kanälen Lübecks sei dem Autoren verziehen). Man spürt die liebevolle Wärme, mit der Dieter Bührig über seine Stadt und über die Musik von Maurice Ravel schreibt, und man bekommt Lust, beides näher kennenzulernen.
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