Cover des Buches Der Rechenmeister (ISBN: 9783352005558)
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Rezension zu Der Rechenmeister von Dieter Jörgensen

Rezension zu "Der Rechenmeister" von Dieter Jörgensen

von November vor 14 Jahren

Rezension

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Novembervor 14 Jahren
Wir reden, plaudern, diskutieren, erzählen und sprechen; zumeist als sei es keine große Sache; eher ein notwendiger, irgendwie unbewusster Vorgang. Denn wenn wir nicht gerade die Kunst des Sprechens als unseren Beruf erwählt haben, schenken wir dem gesprochenen Wort oftmals nur geringe Aufmerksamkeit, schludern gern damit. Ganz anders bei Niccolo Tartaglia. Der begnadete Mathematiker Venedigs des 16.Jahrhunderts hört genau hin und ist sich der Kunst der Rhetorik ständig bewusst. Denn seine ging in der Kindheit verloren, als er die Vergewaltigung seiner Mutter miterleben musste. Seitdem stottert er; hegt fürchterliche Angst vor dem Sprechen und beneidet zugleich all jene, die so verschwenderisch und prahlerisch mit dem fließend gesprochenen Wort umzugehen vermögen. Dieter Jörgensen ist es in seinem Roman "Der Rechenmeister" gelungen die Schönheit, die Großartigkeit des Sprechens und die Sehnsucht danach auf eine bildhafte und wortgewandte Art bewusst zu machen, sodass es eine Freude ist darüber zu lesen. Er schildert nicht nur detaliert die verschiedenen Sprechweisen, Stimmenfärbungen und Mimiken, sondern er vermittelt auch den Schmerz jener Menschen, für die das Sprechen bei jeder Silbe zur Herausforderung wird und die dem Spott ihrer sprechbefähigten Mitmenschen ausgesetzt sind. Doch dies ist nur ein (großer) Aspekt des Romans. Ein anderer beschäftigt sich mit Tartaglias Liebe zur Mathematik und ihren Rätseln. So gelingt es ihm zum sehr angesehenen Rechenmeister aufzusteigen, der fast ohne zu Stottern über Euklid und die Innenwinkelsumme in anschaulicher Weise lehrt und selbst wissbegierige Studenten aus umliegenden Städten anzieht. Durch eine Wettbewerbsherausforderung gelingt es ihm sogar die Lösung und den Beweis für die bis dahin unlösbare Kubusgleichung zu finden. Doch als seine Ergebisse von dem Mailänder Gerolamo Cardano unter dessen Namen veröffentlicht werden, entwickelt sich ein aufsehenerregender Gelehrtenstreit, der in seiner Größe und Heftigkeit bis dato einzigartig war. Herr Jörgensen verbindet mathematische Geschichte und die Lebensgeschichte des Niccolo Tartaglia; bietet beides auf eine leichtverständliche und fesselnde Weise dem Leser dar. Fasziniert ihn vor dem mittelalterlichen Venedig und bringt seinem Leser nebenbei auch noch die gesellschaftlichen Zustände - besonders die widersprüchliche Behandlung der Juden - nah. Auch wenn man sich nicht für die Mathematik begeistert, so schaftt es der Autor ein gewisses Interesse daran wachsen zu lassen; jedoch außerordentlich fasziniert an diesem Roman hat mich die unermüdliche Bewusstmachung des gesprochenen Wortes, sodass sich meine Begeisterung für das Sprechen (und die hält sich bei mir sonst in Grenzen) enorm gesteigert hat. Allein deswegen möchte ich euch dieses Erstlingswerk ans Herz legen.
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