Rezension zu "Anders leben - Franz Kafka und Dora Diamant" von Dieter Lamping
Der profunde Kafka-Kenner Dieter Lamping beleuchtet aus verschiedenen Blickwinkeln das letzte Lebensjahr Kafkas, das er mit seiner großen Liebe Dora Diamant in Berlin verbrachte. Er hatte die junge Frau kurz zuvor an der Ostsee kennen gelernt, und dank Dora und dem Bezug einer kleinen Erwerbsunfähigkeitsrente war es ihm geglückt, mit knapp 40 Jahren endlich die Einflusssphäre seines Vaters und Prag zu verlassen. Allerdings ist Kafka zu diesem Zeitpunkt schon sehr von seiner Krankheit geschwächt, in vollen Zügen genießen kann er das Leben in der Metropole Berlin nicht mehr, auch reichen seine finanziellen Mittel nicht aus, um das kulturelle Angebot zu nutzen. In dem knappen Jahr lebt er an drei verschiedenen Adressen fernab des Zentrums, welches er mangels Kraft nur selten aufsuchen kann. Aus Tagebüchern und Briefen von Wegbegleitern hat Dieter Lamping die Bruchstücke zusammengetragen, die ein Bild dieser letzten Lebensmonate ergeben. Zu gleichen Teilen würdigt das Buch auch Dora Diamant, die Kafkas Leben zu diesem Zeitpunkt organisiert hat. DL berichtet von ihrer Herkunft und skizziert ihren späteren Lebensweg. Für Kafka-Kenner liefert das Werk nichts Neues. Das optisch und haptisch wunderschöne Buch der Reihe „blue notes“ ist ein sehr schöner Einstieg in Kafkas Leben und motiviert zu intensiverer Beschäftigung mit diesem großartigen Dichter. Und es nimmt die Ehrfurcht vor dem Namen Kafka. DL zeichnet einen nahbaren Menschen, humorvoll und dem Leben zugewandt, auf dessen Leben und Werk dieses Buch neugierig macht. Große Leseempfehlung für dieses Juwel von einem Buch!
Dieter Lamping ist emeritierter Professor für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft mit einer langen Publikationsliste. In der Reihe „blue notes“ liegen noch Titel über Hannah Arendt und Rahel Varnhagen von ihm vor. Die im Buch enthaltenen wunderschönen Grafiken sind von Simone Frieling.