Dieter Liebig

 4,5 Sterne bei 4 Bewertungen
Autor*in von Im Anfang war das Wort, Kap der guten Hoffnung und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Dieter Liebig wurde 1951 in Daubitz / Oberlausitz geboren und studierte evangelische Theologie in Halle, Leipzig und Naumburg. Ab 1980 war er tätig als Pfarrer und Landrat. Liebig arbeitet seit den Siebzigerjahren zudem als freier Schriftsteller zu verschiedenen regionalen, historischen und politischen Themen und hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. Seit vielen Jahren organisiert er Aufführungen mit eigener Spielgruppe. Heute lebt der vielseitig interessierte Autor mit Sabine Bauer-Helpert in Dittersbach und Görlitz-Königshufen.

Quelle: Verlag / vlb

Neue Bücher

Cover des Buches Goethe auf der Reise durch Italien (ISBN: 9783963521317)

Goethe auf der Reise durch Italien

Neu erschienen am 10.09.2024 als Taschenbuch bei MEDU VERLAG.

Alle Bücher von Dieter Liebig

Cover des Buches Im Anfang war das Wort (ISBN: 9783963521072)

Im Anfang war das Wort

 (1)
Erschienen am 07.07.2023
Cover des Buches Kap der guten Hoffnung (ISBN: 9783963520808)

Kap der guten Hoffnung

 (1)
Erschienen am 19.01.2022
Cover des Buches (K)ein Weg westwärts (ISBN: 9783941955561)

(K)ein Weg westwärts

 (1)
Erschienen am 01.04.2012
Cover des Buches Vor Verdun fand ich meinen Glauben (ISBN: 9783929872897)

Vor Verdun fand ich meinen Glauben

 (1)
Erschienen am 01.03.2021
Cover des Buches Faustisch (ISBN: 9783963521218)

Faustisch

 (0)
Erschienen am 26.03.2024
Cover des Buches Goethe auf der Reise durch Italien (ISBN: 9783963521317)

Goethe auf der Reise durch Italien

 (0)
Erschienen am 10.09.2024
Cover des Buches Nathanael (ISBN: 9783944948034)

Nathanael

 (0)
Erschienen am 21.04.2014
Cover des Buches Unheilige Allianzen (ISBN: 9783944948584)

Unheilige Allianzen

 (0)
Erschienen am 03.02.2016

Neue Rezensionen zu Dieter Liebig

Cover des Buches Im Anfang war das Wort (ISBN: 9783963521072)
ArsAstrologicas avatar

Rezension zu "Im Anfang war das Wort" von Dieter Liebig

Narrenspiel am Rande des Höllenkraters
ArsAstrologicavor einem Jahr

Drei Dinge stoßen mich ab, wenn ich durch die ersten Seiten eines Buches blättere, und oft genug lege ich es dann beiseite: 1.) Rechtschreibfehler, 2.) langatmige Schilderungen, 3.) stumpfsinnige Formulierungen.

Nicht davon findet sich im dicken Werk des Autors. Die Einführung von Sabine Bauer-Helpert, einer Pfarrerin im Ruhestand, verzichtet bei allem religiösen Bezug auf kitschige Frömmelei, und wenn sie schreibt, dass Dieter Liebigs Texte uns auch heute Tore in die Zukunft öffnen können (Seite 8), dann ist dies kein leeres Versprechen.

Der Autor belässt es bei einem knappen Vorwort, das dem Leser hilft, den »Deutsch-Ossig-Report 1977-1986«, wie er »An Anfang war das Wort« tiefstapelnd im Untertitel benennt, in sein umfangreiches Oeuvre einzuordnen, und kommt dann gleich in medias res, will meinen: Er zitiert, anstatt seine Herkunft eigenhändig zu beschreiben, wortwörtlich einen Ermittlungsbericht der Staatssicherheit (S. 11). Solche Dokumente tauchen auf den folgenden 500 Seiten immer wieder auf. Und zu den IM-Decknamen liefert er auch die Klarnamen.

Mit anderen Worten: Der wehrhafte Pfarrer und Schriftsteller in Personalunion packt den Stier bei den Hörnern, kämpft mit offenem Visier – was auch bitternötig ist, hat er doch seit seinem 25. Lebensjahr nicht nur die Stasi im Nacken, sondern auch riesige Braunkohlebagger vor der Nase, die sich Stück für Stück wie im Hollywoodepos »Herr der Ringe« auf sein Barockkirchlein zubewegen. Wahrhaft teuflisch. Doch Dieter Liebig ist kein Jammer-Ossi, will nicht bemitleidet werden, sondern schildert das Dantes Inferno gleichkommende Höllenspektakel, indem er (S. 17) aus einem eigenen Roman zitiert:


Auf dem Ort regnete Asche, mit Schwefel vermischt ... An ihre Ohren drang Quietschen, Heulen, Rasseln, Leiern, Wummern ... Als Kontrast dazu stand nach Norden hin eine Kirche, die von außen schmucklos wirkte.


Es folgen Theaterstücke, mit einem Laienspieltrüppchen aufgeführt, das er dort am Rande des Höllenkraters aus der Braunkohlenerde gestampft hat, in etwas so, wie nach griechischer Mythologie das Menschengeschlecht aus Lehmklumpen geformt und gebacken wurde. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr, greift der Autor doch in seinem literarischen Schaffen auf die Werke kulturgeschichtlicher Epochen zurück, ist ungeheuer belesen, ohne in falsche Eitelkeit zu verfallen. In seinen Tagebüchern, die neben Predigten, Theaterstücken und Stasi-Berichten das Buch so reich und abwechslungsreich machen, schreibt er (S. 123):


Im Radio hörte ich zufällig das Dürrenmatt-Zitat: ›Ein Stück ist dass zu Ende gedacht, wenn es die schlimmstmögliche Wendung bietet.‹ Sehr schön weit vorn formuliert, für pointiertes Reden war Dürrenmatt schon immer gut.


Dass die Staatssicherheit dem schriftstellernden Pfarrer bzw. pfarrernden Schrifsteller dabei stets im Nacken saß und sich (mit Erfolg) bemühte, Informanten auf ihn anzusetzen, zeigt ein Tagebucheintrag auf der gleichen Seite:


»Gestern haben wir vor einem ausgezeichneten Publikum in Weinhübel gespielt. Da ich immer noch auf der Sucher nach einem weiteren Stück bin, kam mir der Gedanke, einen ›Traum‹ nach Günter Eich zu versuchen. In dem befindet sich ein Familienvater, der nur hinausgegangen ist, um eine Zigarette zu rauchen. Da bitte ihn die Häscher um Feuer. Er kenne doch den ... So ward er zum Judas.«


Die äußere Situation des kleinen Kirchleins am Rande der sich stetig ausbreitenden Kohlegrube ist bedrücken. In einer Silvesterpredigt (S. 176) macht Dieter Liebig seiner Gemeinde Mut:


Es gilt, dass das Herz fest werde, wir stark im Glauben werden in dem Wissen, dass unsere Zeit in Gottes Händen liegt.


Am gleichen Tag steht im Tagebuch, dass am 30. Geburtstag im Sommer sein erstes Stück Premiere haben soll. Episoden aus dem Bauernkrieg. Zwei Wochen später kommt ein Schreiben, dass die Schließung des evangelischen Friedhofs ankündigt. Unerbittlich fressen sich die Braunkohlebagger weiter. Die Realität in Deutsch-Ossig im südöstlichsten Zipfel der DDR erfüllt die dramatischen Vorgaben des Friedrich Dürrenmatt in der fernen Schweiz, damals dank Stacheldraht, Mauer und Schießbefehl unerreichbar für den schreibenden Gottesmann.

Dass die Stasi auf der Suche nach Spitzeln in seinem Umfeld erfolgreich war, zeigt der Bericht von IM Maus (S. 231). Dieter Liebig dreht den Spieß um, nennt nicht nur den Klarnamen des verräterischen Nagetiers, sondern zitiert die gesamte Tonbandabschrift der Kreisdienststelle der Staatssicherheitsdienstes in Görlitz. Thema des Gesprächs in der Privatwohnung des Informellen Stasi-Mitarbeiters war eine Generalprobe zum neuen Theaterstück »Der Turm«.

Wenn der Autor in diesem autobiografischen Report sich selbst erklärt und jenes Unbegreifliche, das letztendlich die Kreativität jedes Künstlers ausmacht, so zitiert er aus einem eigenen Brief (S. 294), und das in jenem ihm eigenen Stil, der Bilder im Kopf des Lesers aufblitzen lässt::


Ich kenne einen Bassgitarristen, der alles, was erhört, in Noten fasst. Mein Tun ist ähnlich gelagert. Ich kann nur das, was ich mir beigebracht haben, setze mir begegnende Stoffe in Stücke um. Entscheidend ist also das Verhältnis zum Stoff.


Als Kurzvita zitiert Dieter Liebig auch einem Brief an die Zeitschrift »Theater der Zeit«, die sein Stück »Nonnenmacher« abdrucken will:


Mein Verfahren waren Landarbeiter, meine Mutter ist in der LPG tätig, mein Vater Arbeiter ... 1980 wurde ich Pfarrer der Kirchengemeinde Deutsch-Ossig im Energiezentrum Hagenwerder. Der Ort selbst steht auf Braunkohle.


Was es bedeutet, auf Kohleflözen zu wohnen, die in unmittelbarer Nähe abgebaggert werde, lässt er uns Leser in einem Romanzitat wissen(S. 333):


Plötzlich erstarb das Singen der Vögel, das Summen der Bienen. Die Schafe standen vollkommen regungslos das, als würden sie das Atmen unterlassen ... Das Geräusch war nicht klar zu definieren. Es handelte sich um ein Grunzen, Schnauben, Brüllen, als würde alle Tiergattungen zur Schlachtbank getrieben. Da gab es einen Schlag wie von einer überdimensionalen Uhr ... eine gewaltige Rutschung abgegangen. Zig Tonnen ... sind vom Granit abgerissen ... Daraus folgte, dass das Kohleflöz gehoben wurde und mit Luft in Berührung gekommen war. Durch die Reibung hatte es sich entzündet.


Man muss schon ein harter Bursche sein, um das auszuhalten. Als Sohn eines Waldarbeiters hat der Autor gelernt, handfest zuzupacken. Und weil er in Halle und Leipzig neben dem Theologiestudium das Theaterhandwerk erlernte, setzte er seine Erfahrungen in einem Hörspiel um, frei nach Iwan Turgenjews »Aufzeichnungen eines Jägers«. Das folgende Zitat stammt aus seinem Brief von 1984 (S. 336) an Radio DDR II. Ein Jahr später wurde Liebigs Hörspiel ausgestrahlt.


Ich werde, vor allem von kirchlicher Seite, immer wieder gefragt, wie sich beide Berufe, der des Pfarrers und der des Schriftstellers vereinbaren lassen. In beiden geht es um das Wort. Beide kommen von Menschen her und gehen auf den Menschen zu. Das verbindende Element ist daher die Ethik. In solchen Stücken wie ›Der Wildhüter‹ reflektiere ich Begegnungen. ... Mein Vater war Forstarbeiter ... Das Leben im Wald war, als es sich noch in der natürlich Ordnung vollzog, war hart. Für das Harzen der Kiefern mussten im Winter die Lachten für die Schnitte vorbereitet werden, durch sogenanntes Röten. Es galt, stundenlang bei schwerer Arbeit im Schnee zu knien. Wenn der Wind aus Westen kam, trieb er einem die abgehobelte Rinde ins Gesicht, wenn er aus Osten kam, gefror einem der Schweiß auf dem Rücken.


Conclusio: Dieter Liebig, der auf Jahrzehnte kreativen Schaffens zurückblicken kann, als Pfarrer sein Kirchlein verteidigte, als Bürgerrechtler von der Kanzel gegen Umweltzerstörung (Totenmesse für die Natur, S. 413 ff.), Militarismus und den Unrechtsstaat DDR predigte, ebenso mit Gedichten, Romanen, Hörspielen, Filmdrehbüchern und Theaterstücken, dem das Kunststück gelangt, sein 1986 (just als er sein Mittelalter-Theaterstück »Ratgeb« vollendet hatte, S. 478 ff.) abgebaggertes Kirchlein inmitten einer Plattenbausiedlung wiederauferstehen zu lassen, der nach der Wende als Landrat im Kreis Görlitz dem zaghaften Pflänzchen der Demokratie zum Wachsen verhalf, den jetzt in 2023 drei neue Projekte unter der Feder hat, ist kein Jammer-Literat, der sein Leid beklagen und dafür bedauert werden will. Er ist ein Dramatiker im Sinne Dürrenmatt – und uns Leser weiß er zu vergnügen.


Cover des Buches (K)ein Weg westwärts (ISBN: 9783941955561)
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Rezension zu "(K)ein Weg westwärts" von Dieter Liebig

Ein großartiger historischer Roman, packend und zugleich in epischer Breite
ArsAstrologicavor 3 Jahren

In der Oberlausitz geboren ist er ihr treu geblieben. Er sitzt in dem abgelegenen Ort Dittersbach O/L in seinem Arbeitszimmer unterm Dach an seinem Schreibtisch - da lenkt nichts ab - und so können seine Gedanken konzentriert weite Wege. An der Seite der Auswanderer aus der Oberlausitz, damals im Revolutionsjahr 1848/1849. Nicht ohne zuvor der Armut der Weber in der Oberlausitz und im Riesengebirge zu gedenken, die sie forttrieb. Nicht ohne zuvor dem Willen der Revolutionäre zur Freiheit Ausdruck zu geben. „Die Presse ist also frei und von dem weisen Gebrauch derselben wird es abhängen, diese Freiheit zum Segen zu machen.“ zitiert er den Redakteur Friedrich Hohlfeld aus Löbau(S.190). Liebig stellt sich selbst der Aufgabe, die Freiheit, die wir nach 1989 gewonnen haben, zum S e g e n werden zu lassen. Er schreibt über die Zeit zwischen 1848 und 1865, aber er setzt sich mit den Fragen auseinander, die sich uns seit 1989 stellen. Warum dann dieser Rückgriff auf die Geschichte vor eineinhalb Jahrhunderten? Es sind zwei Revolutionen, die von 1848/49 und die von 1989, in gewissem Sinn b e i d e gescheitert. Liebig setzt sich mit den bleibenden Fragen auseinander, die damals wie heute brennend sind: Ist der Mensch zur Freiheit fähig? Was spielt sich in den Gedanken und Gefühlen der Verantwortungsträger ab? Welche Chance hat der Glauben in dieser Welt? Wo bleiben Recht und Gerechtigkeit für das einzelne Menschenleben? Liebig nimmt uns mit. Weit westwärts. Seine Protagonisten wandern nach Amerika aus, wie damals eine halbe Million anderer. Auch hier spürt der Leser natürlich die Parallele zur Auswanderung aus der Oberlausitz nach der deutschen Einheit. Nach 1989 treffen die Auswanderer auf die entwickelte westdeutsche Demokratie, die nach dem 2.WK nach amerikanischem Vorbild aufgebaut worden ist. Nach 1848/49 gerieten die Auswanderer mitten in die heftigsten Auseinandersetzungen, die die entstehende amerikanische Demokratie zu bestehen hatte. Die deutschen Revolutionäre, die ihrer Verfolgung in Deutschland entfliehen mussten, hofften nun hier ihre Ideale von Freiheit und Demokratie verwirklichen zu können. Indem Liebig seine Protagonisten auf beide Seiten des amerikanischen Bürgerkriegs von 1861-1865 geraten lässt, wird die Sinnlosigkeit des Kriegsmordens offengelegt.

Sein Romanwerk, das mit seinen 720 Seiten eigentlich drei Bücher beinhaltet, schildert in zwei dieser Bücher Ereignisse des amerikanischen Bürgerkrieges und lässt uns dabei miterleben, wie der Krieg die positiven Werte, für die er angeblich geführt wird, durch sein Geschehen vernichtet. Mehrfach sehen Soldaten bevor sie fallen ein Kind über das Schlachtfeld gehen. Ein starkes Symbol für das unschuldige Leben der Vielen, deren hoffnungsvolle Seele im vom Soldatenrock eingezwängten Leib erstickt wird. Das Buch ist keine leichte Lektüre. Man muss sich einarbeiten. Aber die Mühe lohnt sich. Ich habe es zwischendurch weggelegt und wurde dann wieder angezogen, wissen wollend wie es weitergeht. Es ist ein wichtiges Antikriegsbuch, aber nicht nur das. Es gibt eine wunderbare Szene, wo sich ein Sklave durch die Musik „freispielt“, indem er in einer Kirche orgelt findet er sich selbst und teilt sich den Zuhörern mit, er wird gleichsam neu geboren. (S.80f.) Solche Stellen machen das Buch wertvoll. Liebig hat uns was zu sagen. Er ist einer von uns. Was er in Politik, Kirche und Gesellschaft selbst erlebt und offensichtlich auch erlitten hat, das spiegelt er in diesem historischen Roman, so dass man immer wieder betroffen innehält, wenn einem die Parallelen zur Gegenwart auf den Leib rücken.

(Rezension mit freundlichen Genehmigung von Helmut Törne)

KURZBIOGRAFIE DIETER LIEBIG

geboren am 05.08.1951 in Daubitz/Oberlausitz.
Verheiratet, drei Kinder. 1958-1970 Schulbesuche.
1970-1976 Theologiestudium in Halle, Leipzig und Naumburg.
1977-1989 im Industriegebiet Hagenwerder.
1980-1989 dort Pfarrer der Kirchengemeinde Deutsch-Ossig. Inanspruchnahme des Ortes durch den Braunkohlenbergbau.
31.08.1989 Schließung der Gemeinde. Von da an freiberuflicher Schriftsteller.
1990-1994 Landrat des Kreises Görlitz-Land.
Vorsitzender der Euroregion Neisse.
1994-2001 Oberverwaltungsrat Landkreis Löbau-Zittau.
Seit 2001 wieder freiberuflicher Schriftsteller.

SCHRIFTSTELLERISCHER WERDEGANG

Nach einer externen Unterrichtung in Dramatik (1973-76) November 1976 Aufführung des ersten Stückes. In den folgenden Jahren entstehen Einakter im absurden Stil. 1978 Gründung der Spielgruppe Hagenwerder, später Deutsch-Ossig. Aufführungen eigener Stücke in Kirchen. 1983 Herausgabe einer Sammlung durch Werk und Feier. Im gleichen Jahr erscheint in „Theater der Zeit“ das Stück „Nonnenmacher“. Bereits mit dessen Vorläufer „Episoden aus dem Deutschen Bauernkrieg“ Aufgabe des absurden Stils und Hinwendung zu geschichtlich-politischer Dramatik. Es folgt das Antikriegsstück „König von Preußen“, das mehrere Jahre von der eigenen Gruppe aufgeführt, 2003 wieder in das Programm aufgenommen wird. Zur Umweltproblematik wird 1985 das Hörspiel „Waldhüter“ gesendet. Im gleichen Jahr durch die Veröffentlichung von „Grünes Requiem Totenmesse für die Natur“ bei Werk und Feier vorläufiges Ende der Publikation.

1986-1990 (beginnend 1978) sind erbitterte Auseinandersetzungen um den Braunkohlenbergbau im Gange. Die Devastierung (Zerstörung) von Deutsch-Ossig soll verhindert werden. In diesem Zeitraum entstehen die fünf Deutsch-Ossig-Bücher, werden bis 93 veröffentlicht („Chronik der Kirchengemeinde Deutsch-Ossig“, „In Wahrheit ist es würdig und recht Die Kirche Deutsch-Ossig in Text und Bild“ „terra infirma - unsichere Erde Deutsch-Ossig-Report“, „Grünes Requiem/Grüner Jakob“, „Northmann“).

Da die Oberlausitz 1813 Hauptkampfgebiet der Befreiungskriege war, dabei weitestgehend zerstört und schließlich geteilt wurde, entstehen Essays zu jener Zeit, veröffentlicht als „… 1813 …“ und „1813 - die Sieger“. Dramatik wird in der „Spielagende“ zusammengefasst, so zu Bibelstoffen, russischer Prosa, Malern und Gemälden, ökologischen und politischen Themen. Den Abschluss der Neunziger bildet der philosophische Kommentar zu Jakob Böhmes „Aurora oder Morgenröte im Aufgang“.

Bei der gänzlichen Orientierung auf das Schreiben als Beruf von 2001 an stehen Texte im Vordergrund, die vertont und zur Aufführung gebracht werden („Sechsstädtebund-Kantate“, „Deutsche Messe“, „insula nigra - die schwarze Insel“, „Jakob-Böhme-Requiem“, „Lukas-Passion“, „Auferstehungshymnus“, „Lausitzer Messe“, „Confessio Saxonica“). Hierher gehört auch die Veröffentlichung „Hiob - in Psalmen gesungen“, Texte zum Buch Hiob verbunden mit Fotografien in Auschwitz.

2003 erfolgt die Gründung der Spielgruppe Hochkirch, mit dieser geschieht die Umsetzung von Stücken.

2002-2004 entsteht der Roman „Kap der guten Hoffnung“ nach Motiven des „Fliegenden Holländers“. Die Jahre 1990-2005 werden regional im Deutsch-Ossig-Report II „Etwas bleibt immer übrig“ zusammengefasst.

2008 werden die umfangreichen Arbeiten an dem Dokumentarfilm „Westerbork-Auschwitz“ (Drehbuch) beendet. Der Film schildert den Weg der holländischen Juden aus dem Lager Westerbork. Im Mittelpunkt steht der Zeitzeuge Fred Schwarz.

In Vorbereitung zur Veröffentlichung befinden sich: „Über das Feld führt kein Weg Deutsch-Ossig-Report 1977-1986“ und „(K)ein Weg westwärts“ in den Teilen „Die Auswanderer“, „Die Kämpfer“ und „Die Sieger“.

2008-2009 ist der Autor inhaltlich und gestalterisch für die Ausstellung der Umweltbibliothek Großhennersdorf „Anspruch und Wirklichkeit. Die Energie- und Umweltpolitik in der DDR am Beispiel des Energieträgers Braunkohle“ zuständig.

2010-2012 ist die Ausstellung „Was morgen sein wird, ist gestern gewesen“ zu den devastierten Orten im Bereich der Braunkohlentagebaue Reichwalde und Nochten im Entstehen.

In Arbeit befindet sich der Roman „Nathanael – Die Shakespeare Companie“ in einem fiktiven Wechselspiel von Wirklichkeit und Inszenierung durch Shakespeare-Stücke.

VERÖFFENTLICHUNGEN

Spieltexte zum Kirchenjahr Werk und Feier 1983

Nonnenmacher Theater der Zeit 1983

Waldhüter Radio DDR II Hörspiel 1985

Grünes Requiem Werk und Feier 1985

Chronik der Kirchengemeinde Deutsch-Ossig Selbstverlag 1989

Grünes Requiem / Der grüne Jakob Viadukt-Verlag 1990

Landnahme
Selbstverlag 1991

In Wahrheit ist es würdig und recht
(Fotografie: Matthias Lüttig) Selbstverlag 1991

Northmann Selbstverlag 1992

terra infirma - unsichere Erde
Deutsch-Ossig-Report 1986-1990
(Fotografie: Matthias Lüttig) Landkreis Görlitz 1993

...1813... Löbauer
Museumsgesellschaft e.V. 1995

Spielagende Viadukt-Verlag 1997

1813 - die Sieger Verlag Gunter Oettel 1998

Kommentar zu Jakob Böhmes
Aurora oder Morgenröte im Aufgang Landkreis Löbau-Zittau 1999

Hiob - in Psalmen gesungen (Auschwitz)
(Fotografie: Matthias Lüttig) Sächsische Landeszentrale
für politische Bildung 2003

Kap der guten Hoffnung Ingo Koch Verlag 2005

Etwas bleibt immer übrig
Deutsch-Ossig-Report II 1990-2005
(Fotografie: Matthias Lüttig) Michel Sandstein Verlag 2005

Anspruch und Wirklichkeit
Die Energie- und Umweltpolitik
in der DDR am Beispiel
des Energieträgers Braunkohle
Begleitbuch
Umweltbibliothek
Großhennersdorf e. V. 2010

Cover des Buches Kap der guten Hoffnung (ISBN: 9783963520808)
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Rezension zu "Kap der guten Hoffnung" von Dieter Liebig

Schwankend auf dem Meer.
ArsAstrologicavor 3 Jahren

Ein Buch, wie schwanken auf dem Meer. Oder noch besser: wie Beine aus Gummi, wenn man nach einem Tag auf dem Ruderboot oder einer Segeljolle, nachdem man sich an das Auf und Ab des Wellengangs gewöhnt hat, wieder festen Boden betritt und glaubt, den Halt zu verlieren.

Der Autor war Großteil seines Lebens Theatermann und Pfarrer in Personalunion, wobei eines das andere bedingt, durchdringt und beeinflusst. Gleich eingangs auf den ersten Seiten irritiert eine mittelalterlich anmutende Sprache, die einem so merkwürdig vertraut vorkommt. Richtig: die Lutherbibel, für viele Leser längst vergessen, und doch seit Kindesbeinen ins Blut übergegangen, diese Mischung aus sächsischer Kanzleisprache, aus der unser Hochdeutsch entstand, und Deftigem, dem Volke aufs Maul geschaut. "Er zwang die Wellen, dass sie brüllten" (Seite 30) nur ein Beispiel für die Sprachgewalt Dieter Liebigs. 

 Während es am Anfang ganz einfach losgeht und junge Blogger wohl schon mit "das fixt mich nicht an" auf Seite 1 qua Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom nach der Wegklick- bzw. Wegwischtaste greifen, fühlt man sich als Leser plötzlich beobachtet, ermahnt von Erzähler hinter der Erzählerfigur, ob man denn auch aufmerksam dem Vorgetragenen lausche: ein Trick, den sowohl Pfaffen als auch versierte Universitätsprofessoren an der Kanzel beherrschen, um das Auditorium in Schach zu halten. Auch hier zeigt sich die große Erfahrung des Autors.

Aber worum geht es überhaupt? Gut, das geht ein einfacher Mann zum Begräbnis einer entfernten Verwandten, bezahlt den Leichenschmaus und schaut des Abends noch einmal rein ins Haus der ärmlichen Verblichenen. Eigentlich nichts von Wert dort in dem einsamen Krempel. Höchstens ein Brieföffner, geschärft zum Öffnen eingehender Post, die sich nach etwas Kramen dann auch findet. Mit Schleifchen verschnürte Papierbündel, belangloser Text auf den ersten Blick. Und eine ungeöffnete Flaschenpost, dort auf der Anrichte.

Die Buddel, denn sie nicht willig, wird aus Übermut zerschlagen, und schon befindet sich der Erbe auf einem Sklavenschiff, vom grausamen Holländermichel mit dem Ochsenziemer ausgepeitscht, im ewigen Ritt über die Weltmeere. Briefe dürfen sie schreiben, die Galeerenhäftlinge. Und am Ruder sitzt ein Kunstmaler: "Als ob er dahin verbannt worden wäre, um niemals Licht in seine Bilder bringen zu können. Wenn uns Muße an Deck verordnet worden war, ließ er die Bilder in die See gleiten." (Seite 33)

Ins Meer hinaus als Flaschenpost müssen auch all jene Briefe, die von den  Verdammten verfasst müssen, seien es nun Liebesbriefe oder Gedichte oder Traktate. Die Adressen sind wohl notiert. Doch ob sie jemals die Empfänger erreichen? Die entfernte Verwandte jenes Erbens, den nun zum Kap der Guten Hoffnung fährt, scheint die ihr gedachten Briefe zumindest erhalten zu haben.

Die Schwarze Galeere, ein Totenschiff wie bei Wilhelm Hauff oder Heinrich Heine oder Richard Wagners romantische Oper in drei Aufzügen? Es ist ein Parforceritt durch die der Eroberung der Meere, durch die Literatur- und Geistesgeschichte der Menschheit, den Grausamkeiten der Kolonisation und der Kriege, auf die uns Dieter Liebig hier mitnimmt. Und wenn wir nicht wissen, warum er uns Leser hier als Ruderknechte einspannt, dann werden uns mal eben ein paar deftige Bibelzitate um die Ohren gehauen. Wir sind nun mal alle arge Sünder. 

Doch wer glaubt, dies sei brav-christliche Bekehrungsliteratur nach dem Motto "Wenn man die auf die eine Wange schlägt, dann halte auch die andere hin", der wird durch folgende Textpassagen eines anderen belehrt, rutscht auf den Planken aus und verliert wieder einmal festen Boden unter den Füßen: "Als es auf die Geisterstunde zuging, war ich mit meinen Gedanken über den Menschen zu Ende gekommen. Der arme Mensch würde sich auch in Zukunft glücklich preisen, wenn er einige Patronen besitzen würde, mit denen er sich gegen seinen Nächsten zur Wehr setzen könnte." (Seite 197) 

Mit den Weibern hat es unser Held auf seinem Wogenritt natürlich auch zu tun, in Hafenschänken und Bordellen und auf hoher See: "Gegen die Hexen half nur einer, der gute Geist des Schiffes, der Klabautermann, der die ganze Zeit ungesehen, aber hörbar auf dem Schiff unterwegs war, um verschobene Ladung zu richten oder durch Kratzen und Schaben an der Bordwand ..." (Seite 218) 

Und dann gibt es noch Damen, wie jene Holländerin, die bei der letzten Reise am Ende des Buches nicht freiwillig zugegen ist. Bevor auch sie das Schicksal trifft, wird auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs offenbart, worauf der Buchtitel wirklich anspielt: "Wenn man von hier aufbricht, nimmt man die gute Hoffnung mit, wieder lebend anzulangen. Das Kap der Guten Hoffnung ist der Angelpunkt von Verdun." (Seite 247) 

Wobei der Autor nicht in Zynismus oder Misanthropie abgleitet, sondern – und dies macht auch seinen Stil aus – die Menschen so nimmt, wie sie nur einmal sind mit all ihre Licht- und Schattenseiten, wenn er als Kriegserlaubnis auch dies schreibt: "Wie viele Menschen mag diese Hölle verschlungen haben. Wir fuhren stundenlang unter blühenden Bäumen dahin, bis es dem Vizewachtmeister zu bunt wurde Er ließ Wagen und Geschütze mit Blütenzweigen schmücken und sagte dann: ‘Jetzt sehen wir tatsächlich aus wie ein Zug aus Dantes Inferno.’" (Seite 251)     

Doch das wirkliche Inferno, das ereignet sich erst im weiten Weltkrieg. Ein schlesisches Kaff namens Kohlfurt, auf dem Eisenbahnzüge ankommen und abfahren. Der Fliegende Holländer, das Galeerenschiff, scheint Räder bekommen zu haben, unser Held wird Rangierer. "Wie das Wasser so in die Lok lief, brüllte es aus den Waggons des Sonderzuges: ‘Wasser.’ Erst da bemerkte ich, dass sich in den Waggons bis aufs Äußerste gepeinigte Menschen befinden mussten." (Seite 298) Unter denen befindest sich auch die erwähnte Holländerin, vom Lager Westerbork nach Auschwitz auf ihrer allerletzten Reise.

Und doch, Dieter Liebigs Roman hat einen Grundton, der nicht anklagend ist und nicht wehleidig. Auf der Seereise, zu der er uns mitnimmt, zeigt er die Höhen und Tiefen der menschlichen Natur, der Kultur- und Philosophiegeschichte, der Eroberung der Welt und ihre Beinahe-Zerstörung in einem fast heiteren Ton. Hat der Leser die letzte Seite zugeschlagen und geht er von Bord, so schwingen die Weller der Ozeane in ihm nach, geht er mit leichter Schlagseite wie ein Seemann nach feuchtfröhlichem Verlassen einer Hafenbar. 

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