Ganz offen nennt Katharina Volk als Ausgang zum Schreiben dieses Buches ihr umfassendes Interesse an Ovid. Mit ihrer Freundin Christine habe ist oft die Metamorphosen gelesen. Aus langer Sicht entstand daraus dieses Buch: "Ovid. Dichter des Exils" (2012). Sie sagt ganz klar, dass es nicht für Wissenschaftler oder akademische Kenner Ovids sei, sondern für Normalsterbliche - wie auch mich. Tatsächlich schafft Katharina Volk es sehr gut, eine gewisse persönliche Offenheit mit einem eigenen INteresse zu befinden und hat ihr ein Buch präsentiert, das es versteht einem Interessierten, der nicht zum Fach gehört, Ovid näher zu bringen.
Oft beschränken sich Einführungswerke auf die grobe Gliederung Persob, Zeitgeschichte und chronologische Werkabhandlung. Das macht Katharina Volk zwar insgesamt auch, geht jedoch ovidspezifischer vor. Sie möchte nämlich in sein Gesamtwerk einführen und zum Lesen verleiten (S. 11f.).
Sie beginnt damit, uns Ovid zunächst in personam vorzuführen. Denn Ovid selbst sagt in einem Moment des gesunden Selbstbewusstseins, dass er mit seinen Metamorphosen unsterblich werden wird (S. 9). Folgerichtig beginnt sie dann mit seinen Werken und stellt erst im 2. Kapitel Ovids Zeit, Leben und Person näher vor. Doch artet die zeitgeschichtliche Darstellung nicht in einer groben und allgemeinen Geschichtsschreibung aus, sondern bleibt stark ovidbezogen. Allgemein wertvoll ist ihre anmahnende Vorsicht, das dichterische Ich in Ovids Werken nicht oder nur sehr vorsichtig mit Ovid als Mensch gleichzusetzen (S. 35-42). Das gilt beinahe umnfassend für alle Dichter der Zeit, denke ich, und ist damit rein methodisch sehr lesenswert. Die kurzangebundenen Einleitungen zu Ovids Werken (1. Kapitel; S. 15-30), die jeweils vielleicht eine halbe bis ganze Seite einnehmen, eignen sich hervorragend als Nachschlagewerk.
Der Rest und Großteil des Buches (S. 48-155) ist aufgegliedert nach einzelnen Themen, die als Aspekte aufgeführt werden, um darunter Ovid und sein Werk zu betrachten. Das hat zur Folge, dass Ovids Schriften immer wieder und unterschiedlich thematisiert werden. So sind im Kapitel "Die Elegie" und im Kapitel "Die Frauen" gleichermaßen die Amores zentrales Thema. Die Kapitel orientieren sich jedoch nicht an irgendwelchen Themen, sondern sind bewusste Aspekte, die in Ovid eine große Rolle spielen oder für die Autorin besonders interessant sind. So gibt es das Thema Philosophie bezeichnenderweise nicht, obwohl ich persönlich jedoch nicht weiß, ob es wegen Volks Desinteresse oder wegen der Irrelevanz im ovidianischen Werk fehlt. Das 4. Kapitel ("Der Mythos"; S. 67-83) thematisiert beispielsweise hauptsächlich die antike Mythologie, die besonders in den Metamorphosen eine große Rolle spielt. Mythen seien aitiologische Geschichten oder exemplarische Geschichten gewesen (S. 68), die besonders unterhalten sollen. Da jeder die Mythen kannte und zahlreiche Texte über Mythen existierten (Intertextualität), war es immer eine große Herausforderung, lockere Andeutungen, Neuinterpretationen und einen guten Schreibstil umzusetzen. Ovid habe dies meisterhaft umgesetzt. Ein zweites wichtiges Werk, das Volk in diesem Kapitel noch hauptsächlich miteinbezieht, sind Ovids Heroides, fiktive Briefe mythologischer Frauen an ihre Liebhaber. Hier lässt Ovid Frauen zu Wort kommen, die in den traditionellen Mythen sonst keine derartige Rolle wahrnahmen.
Ein weiteres Thema/Kapitel, das ich noch erwähnen möchte, ist das 6. Kapitel ("Die Frauen"; S. 102-117). Hier sind allein die Heroides der Hinweis darauf, welche wichtige Rolle Frauen als Personen und mythische Gestalten für Ovid spielten. Wie so vieles bei Ovid ist jedoch auch hier unklar, inwiefern Ovid über Frauen dachte. Die Alternativen reichen von protofeiministisch-gleichberechtigt, bis zu sexistisch oder misogyn (also vom einen Extrem zum anderen; S. 102). Jedenfalls schreibt er auch oft aus der Sicht der Frauen. Die Heroides habe ich bereits erwähnt, aber auch in seinem Werk Ars Amatoria (eine Art Handbuch für die Liebeskunst), ist das letzte Buch Frauen gewidmet, die damit ihre Attraktivität steigern können/sollen. Hier neigt er sogar dazu, für den sexuellen Spaß zum Ehebruch. Dabei ist jedoch eine gewisse Objektivierung von Frauen unverkennbar (S. 107), denn selbst das 3. Buch der Ars Amatoria soll Frauen begehrenswerter für Frauen machen.
Ein weiterer Aspekt ist Ovids Genderkonstrukt. Mittlerweile wird das Thema des Genderismus viel zu überspitzt und polarisiert, doch dieser Abschnitt (S. 113-117) des Kapitels zeigt hervorragend, wie nutzbar man die Methodik des Genderismus für andere Wissenschaften machen kann. Denn hier ist Ovid aus römischer Sicht ziemlich unorthodox: denn er ist rein heterosexuell. Römische Männlichkeit identifizierte sich hauptsächlich über die Dominanz über die Genderrolle "weiblich". Ein Mann musste andere Frauen, Männer oder Sklaven dominieren, indem er sie bspw. sexuell penetrierte und seine Lust daraus zog, während der andere gebende Part dabei keine Lust verspüren musste. Die lustgebende und penetrierte Frau oder der entsprechende Mann war in seiner Rolle als weiblich definiert. Dies versteht Ovid ezidiert so nicht, sondern versteht steht schlichtweg nur auf Frauen (ohne Männer !).
Das sollte nur ein kurzer (und chaotisch gewordener ?) Einblick in das Buch sein. Als Nachschlagewerk eignet es sich bzgl. der Kurzeinführungen zu den Werken hervorragend und ist wegen der thematischen Ordnung sehr interessant. Katharina Volks Schreibsteil kommt sehr locker und einnehmend rüber.
Wirklich lesenswert.
Dieter Prankel
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Neue Rezensionen zu Dieter Prankel
Mit dem Buch „Mykene“ hat Louise Schofield eine sehr umfassende Darstellung des aktuellen archäologischen Kenntnisstandes zur Mykenischen Kultur verfasst. Natürlich stellt auch die Autorin die Frage nach der Verbindung Mykenes zum Trojanischen Krieg. Allein schon, weil die Wiederentdeckung der faszinierenden bronzezeitlichen Kultur, Heinrich Schliemann, dem Ausgräber von Troja zu verdanken ist.
Zwar hatte, wie Louise Schofield in ihrem Buch „Mykene“ noch einmal feststellt, Schliemann weder das richtige Troja, noch Agamemnons Palast ausgegraben, tatsächlich aber hatte er in seinem festen Glauben an die Wahrheit von Homers Ilias eine nunmehr rund 130jährige archäologische Auseinandersetzung mit der Mykenischen Kultur in Bewegung gesetzt.
Systematisch stellt Louise Schofield die archäologischen Erkenntnisse und die dazugehörigen Schlussfolgerungen im Buch „Mykene“ vor. Der Leser wird mit der Zeiteinteilung der Bronzezeit, den absoluten und relativen Datierungen und ihren Problemen sowie der zeitlichen Zuordnung der früh-, mittel- und spätmykenischen Perioden vertraut gemacht. Auf dieser Basis beginnt dann auch die Diskussion um die Entstehung der mykenischen Kultur und damit verbunden die Einbeziehung neuer Funde. Waren die Träger der neuen Kultur Einwanderer? Wie hing der Aufstieg der Mykener mit dem Untergang der Minoer zusammen? Und am Ende natürlich, was bewirkte den Untergang der Mykener und die folgenden dunklen Jahrhunderte?
Louise Schofield greift alles auf, was sich inzwischen an Erkenntnissen und Quellen ergeben hat. Selbstverständlich gehören dazu die Linear B Texte, die bronzezeitlichen Schiffswracks, Hethitische Schriften und auch ägyptische Quellen. Aber auch Fresken aus mykenischen Häusern und Palästen werden als Informationsquellen herangezogen. Und der Leser erhält in verschiedenen Zusammenhängen eine vollständige Übersicht über die bekannten Paläste, Burgen und zentralen Siedlungen der Mykener.
Schofield behandelt alle wichtigen Themenbereiche der mykenischen Kultur wie Bestattungen, Handel, Religion, Krieg, gesellschaftliche Struktur, Bauweise der Paläste, Verwaltung, politische Geographie und vieles andere mehr.
Die gefundenen und gesammelten Artefakte und der Umfang der inzwischen vorgenommenen Ausgrabungen in Zusammenhang mit dem mykenischen Kulturkreis ist zweifellos gewaltig. Und das über mehr als ein Jahrhundert angesammelte Wissen über die Mykener erscheint auf den ersten Blick unglaublich umfangreich. Und trotzdem bleiben die alten Fragen: Wie ist die mykenische Kultur entstanden, wer waren seine Träger und wie ist der relativ plötzliche Untergang zu erklären? Ach ja, nicht zuletzt die irgendwann eigentlich gar nicht mehr so wichtig erscheinende Frage nach dem Verhältnis von Mykene und dem Trojanischen Krieg.
All diese Fragen bleiben letztendlich nach wie vor offen. Trotzdem gibt es Antworten im Buch „Mykene“. Zumindest gelten einige ältere Spekulationen zu diesen Fragen inzwischen als widerlegt, man weiß also relativ sicher, wie es zumindest nicht gewesen sein dürfte. Auf der anderen Seite ergeben sich natürlich neue Spekulationen, beispielsweise zum Untergang der mykenischen Kultur. Hier und auch bei den anderen Fragen stellt Schofield die verschiedenen Theorien nebeneinander und unterlegt sie mit den archäologischen Fakten. Überhaupt behandelt Schofield das Thema sehr sachlich und immer eng an den wissenschaftlichen Tatsachen orientiert.
Eines ist klar, die mykenische Kultur war zumindest in ihrer Blütezeit nicht ein regionales, im wesentlichen auf Griechenland beschränktes Phänomen. Mykene, und damit ist das gesamte politisch- kulturelle Gebilde gemeint, das den Namen des von Schliemann ausgegrabenen Königspalastes trägt, war im Mittelmeerraum von der Agäis über Vorderasien bis nach Ägypten ein politischer, wirtschaftlicher und militärischer Faktor.
„Mykene“ ist zweifellos eines der komplettesten und aktuellsten Überblickswerke zur faszinierenden bronzezeitlichen Kultur Griechenlands. Der systematische Aufbau, der sachliche und gut verständliche Stil, die hilfreichen Illustrationen und Pläne, das breite Spektrum der behandelten Themen und nicht zuletzt die Darstellung der offenen Fragen und Diskussionsansätze machen das Buch für den interessierten Laien hochinteressant und für den Geschichtsstudenten außerordentlich nützlich. Dies auch vor dem Hintergrund der umfassenden Literaturliste und der vertiefenden Hinweise in den Fußnoten.