Cover des Buches Eis bricht langsam (ISBN: 9783959491211)
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Rezension zu Eis bricht langsam von Dima von Seelenburg

Eine Bravo, Erinnerungen und ganz große Gefühle

von 79yvi vor 6 Jahren

Rezension

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79yvivor 6 Jahren

Im Zuge von Renovierungsarbeiten stößt Aljoscha in der hintersten Ecke seines Kellers auf eine Kiste, die er im Laufe der Zeit völlig vergessen hat. Die darin aufbewahrten Gegenstände nehmen ihn mit auf eine Reise in die Vergangenheit, beginnend im Jahr 1989 mit einer Bravo und seinem 14-jährigen Ich. Zu der Zeit beschleicht ihn immer wieder eine Ahnung, dass er anders ist als die meisten Jungs in seinem Alter. Von Lotte, der Bravo-Dealerin seines Vertrauens und gleichzeitigen Bezugsperson für jede Lebenslage, hört er in diesem Zusammenhang das erste Mal die Definition „schwul“ – nicht herablassend, sondern als schlichte Tatsache. Nachdem Tobias als neuer Mitschüler zu Aljoscha in die Klasse kommt wird dessen anfängliche Ahnung langsam immer konkreter und zu Gefühlen, die sich nicht mehr abstreiten lassen. Sein Leben könnte für Jascha zu der Zeit nicht schöner sein, doch dann wird ihm drei Mal innerhalb kürzester Zeit der Boden unter den Füßen weggezogen.

Während dieser Geschichte wurde nicht nur Aljoscha in die Vergangenheit katapultiert, sondern auch ich selbst habe mich mit einem Lächeln an Kassetten mit Bandsalat – den Bleistift immer in Griffweite – und zerlesene Bravos zurückerinnert. Das Alter zwischen 14 und 16 war eine aufregende Zeit, nicht nur für mich, sondern auch für Aljoscha und Tobias. Dima von Seelenburg hat diese Stimmung wundervoll eingefangen, die großen und kleinen Ängste als sich Aljoscha eingesteht, dass er schwul ist. Die Unsicherheit, ob Tobias seine Gefühle auch erwidert, aber auch die Neugier auf die erste große Liebe, die damit verbundene Euphorie, wenn diese auf Gegenseitigkeit beruht und das Entdecken der eigenen Sexualität. Ganz besonders berührt haben mich die Worte von Jaschas Vater bezüglich seines Coming-Out:

„Das wichtigste ist aber, dass dann jemand vor uns sitzt, der glücklich ist, im Idealfall mit jemandem zusammen ist, den er liebt und von dem er ebenso geliebt wird. Glücklich zu leben, das ist es, was wir dir am allermeisten wünschen.“

Julians Erfahrungen mit diesem Thema, stehen dagegen auf einem anderen Blatt. Die Geschichte ist wie aus dem Leben gegriffen, sie gibt den ganz normalen Wahnsinn eines Jugendlichen incl. Geschwisterkämpfen und den Momenten, in denen man sich z. B. für seine Erzeuger in Grund und Boden schämt, sehr detailreich und oft humorvoll wieder. Es kommt einem beim Lesen so vor, als ob man es mit realen Personen zu tun hat, denn obwohl nur aus Aljoscha Sicht erzählt wird, besitzen alle Charaktere eine beeindruckende Tiefe und ich habe sie alle auch relativ schnell in mein Herz geschlossen. Der Großteil der Story spielt in der Vergangenheit, man springt aber immer wieder für kurze Passagen in die Gegenwart und erfährt, was aus dem damaligen Teenager und seiner Familie geworden ist. Schon relativ bald habe ich mich aber gefragt „Was ist mit Tobias?“, denn in der Gegenwart schwingt immer ein trauriger Unterton mit, wenn Tobias in Aljoschas Gedanken auftaucht. Mit einer Antwort auf diese Frage hat sich Dima von Seelenburg bis ganz zum Schluss Zeit gelassen und ich bin froh, dass es so endet. Denn das Gefühl, das sich beim Lesen der letzten Zeilen in mir breit gemacht hat, ist das, was ich den Beiden das ganze Buch über gewünscht habe – ich bin glücklich.

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