Dirk Berg-Schlosser

Alle Bücher von Dirk Berg-Schlosser

Cover des Buches Die Anjou-Plantagenets (ISBN: 9783170144880)

Die Anjou-Plantagenets

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Erschienen am 18.06.2003
Cover des Buches Politische Kultur in Deutschland (ISBN: 9783899740783)

Politische Kultur in Deutschland

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Erschienen am 28.11.2003
Cover des Buches Vergleichende Politikwissenschaft (ISBN: 9783322973931)

Vergleichende Politikwissenschaft

 (0)
Erschienen am 15.11.2013

Neue Rezensionen zu Dirk Berg-Schlosser

Cover des Buches Die Anjou-Plantagenets (ISBN: 9783170144880)
A

Rezension zu "Die Anjou-Plantagenets" von Dieter Berg

Nur für Fachleute geeignet, nicht für historisch interessierte Laien
Andreas_Oberendervor 3 Jahren

In der landläufigen Zählung der englischen und britischen Herrscherhäuser gelten die Plantagenets als zweite Dynastie nach dem sogenannten normannischen Königshaus. Hervorgegangen aus dem französischen Geschlecht der Grafen von Anjou, gelangten die Plantagenets durch Erbschaften und Heiraten in den Besitz des Königreiches England und des Herzogtums Normandie sowie des Herzogtums Aquitanien im Südwesten Frankreich. Das sogenannte Angevinische Reich - kein Staat im modernen Sinne, sondern eine Bündelung von Herrschaftsrechten dies- und jenseits des Ärmelkanals in den Händen einer Familie - erstreckte sich zur Zeit seiner größten Ausdehnung von der englisch-schottischen Grenze im Norden bis zu den Pyrenäen im Süden. Wie und mit welchen Mitteln die Plantagenets dieses ausgedehnte Reich zu regieren versuchten, welchen Herausforderungen sie dabei gegenüberstanden, welche Erfolge und Misserfolge ihnen beschieden waren, das schildert Dieter Berg in dem vorliegenden Buch.

Den acht Plantagenet-Königen von Heinrich II. (1154-1189) bis zu Richard II. (1377-1399) ist jeweils ein Kapitel gewidmet. Am Ende jedes Kapitels skizziert Berg, wie der betreffende König von seinen Zeitgenossen bewertet wurde und wie ihn die moderne Forschung bewertet. Drei Leitmotive durchziehen das Buch. Zum einen geht Berg der Frage nach, wie sich die Herrschaft der englischen Könige im Laufe von zweieinhalb Jahrhunderten entwickelte. Zu diesem Themenkomplex gehören die Entstehung und Wandlung staatlicher Institutionen, das Finanzwesen, aber auch die Konflikte zwischen den Monarchen und dem Adel sowie die Anfänge des Parlamentarismus. Zum zweiten schildert Berg die Bemühungen der englischen Monarchen, die keltische Peripherie (Wales, Irland, Schottland) zu unterwerfen. Im Falle von Wales und Irland gelang dies; Schottland hingegen konnte nach harten Abwehrkämpfen seine Unabhängigkeit wahren.

Drittes Leitmotiv sind die Außenpolitik der englischen Könige und die Einbindung Englands in europäische Zusammenhänge. Die Außenpolitik, deren Dreh- und Angelpunkt der Dauerkonflikt mit dem französischen Königtum war, zielte darauf ab, den in Nord-, West- und Südwestfrankreich gelegenen Festlandsbesitz des Hauses Plantagenet entweder zu verteidigen oder zurückzuerobern. Es ist zweifelhaft, ob Berg gut beraten war, dieses Thema so stark in den Vordergrund zu rücken und das außenpolitische Tableau über den englisch-französischen Konflikt hinaus auszuweiten. Die starke Akzentuierung der auswärtigen Beziehungen macht das Buch unnötig umfangreich und komplex. Immer wieder geht Berg - i.d.R. viel zu ausführlich - auf die Verhältnisse in Frankreich, Schottland, im Heiligen Römischen Reich, in den iberischen Reichen und sogar im Königreich Sizilien ein. Irgendwann fragt man sich als Leser, ob das Buch die Geschichte einer Dynastie zum Gegenstand hat, oder ob es nicht eher eine Studie über die internationalen Beziehungen vom 12. bis zum Ende des 14. Jahrhundert ist.

Damit ist ein grundsätzliches Problem des Buches angesprochen. Einmal mehr stellt sich die Frage, welchen Leserkreis der Kohlhammer-Verlag mit seinen "Urban-Taschenbüchern" erreichen und ansprechen möchte. Bergs Buch ist nur für Leser geeignet, die bereits über solide Vorkenntnisse der Geschichte Englands sowie West- und Südeuropas im Hoch- und Spätmittelalter verfügen, also Historiker und fortgeschrittene Studierende. Für historisch interessierte Laien kommt das Buch nicht in Frage, da es als Einstiegslektüre und für eine erste Beschäftigung mit England im Hoch- und Spätmittelalter gänzlich ungeeignet ist. Berg macht keinerlei Zugeständnisse an das möglicherweise begrenzte Vorwissen seiner potentiellen Leser. Die ganz auf Faktenvermittlung ausgerichtete Darstellung ist rein politik- und militärgeschichtlich angelegt. Die enorme Detailfülle dürfte selbst manchen Fachmann überwältigen. Es wäre kein Wunder, wenn ein Laie nach der Lektüre der ersten zwei, drei Kapitel entmutigt und überfordert aufgibt.

Berg konfrontiert seine Leser mit einer immensen Flut von Informationen über Kriege und Kreuzzüge, Rebellionen und Aufstände, innerdynastische Wirren, Bündnisse und Allianzen, diplomatische Winkelzüge, Eheschließungen und Verwandtschaftsbeziehungen sowie die regelmäßig auftretenden Konflikte zwischen den englischen Königen und dem Adel. In allen Kapiteln fällt ein extrem ausuferndes Name-Dropping auf. Hunderte von Personen werden im Text erwähnt, von denen gut und gerne 80 Prozent als Nebenfiguren einzustufen sind. Die Namen vieler dieser Nebenpersonen hätten unerwähnt bleiben können, ohne dass der Darstellung daraus irgendein Schaden erwachsen wäre. Bei einer der wichtigsten Aufgaben eines Autors - die Zahl der Haupt- und Nebenfiguren in überschaubarem Rahmen zu halten - hat Berg komplett versagt. An vielen Stellen des Buches finden sich schwer durchschaubare Angaben zu den Verwandtschaftsbeziehungen der westeuropäischen Königs- und Fürstenhäuser. Im dichten Gewimmel der Könige von England, Schottland, Frankreich, Kastilien, Aragón, Navarra und Sizilien, zu denen sich noch die deutschen Kaiser, Könige und Landesherren sowie eine Vielzahl von sonstigen fürstlichen Personen und Kirchenfürsten gesellen, geht jeder Überblick rasch verloren.

Weitere Mängel kommen hinzu. Es fehlt eine Karte des Angevinischen Reiches. Wer wissen will, wie groß der Festlandsbesitz der englischen Könige war, der muß anderswo nachschlagen. Welcher Deutsche weiß schon, wo genau die französischen Regionen Anjou, Maine, Poitou und Touraine liegen? Das Buch endet mit der Absetzung Richards II. im Jahre 1399. Berg erweckt den irreführenden Eindruck, das Haus Plantagenet sei mit Richard II. erloschen. Die nach Richard II. regierenden Könige aus den Häusern Lancaster und York waren genealogisch gesehen aber auch Plantagenets. Die Dynastie regierte bis 1485, bis zum Schlachtentod Richards III. Da das Buch 1399 endet, fallen die Spätphase des Hundertjährigen Krieges und die Rosenkriege (1455-1485) unter den Tisch. Es klafft somit eine fast hundertjährige Lücke zwischen Bergs Buch und dem Anschluss-Band von Raingard Eßer über die Tudors und Stuarts. Hätte Berg die Ausführungen zur Außenpolitik auf das Nötigste beschränkt, so hätte er genug Raum gehabt, um auch das 15. Jahrhundert zu behandeln. Einen separaten Band über die Plantagenets im 15. Jahrhundert wird der Kohlhammer-Verlag wohl kaum herausbringen.

Wer nach einer besseren Alternative sucht, dem sei das sehr gut lesbare und explizit für einen breiten Leserkreis geschriebene Buch des englischen Historikers Dan Jones empfohlen, "The Plantagenets. The Kings Who Made England" (London 2012). Dieses Buch endet zwar auch 1399, doch ist ein Anschlußband bereits in Arbeit. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Juli 2013 bei Amazon gepostet)

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