Rezension zu "Vergeltungsschlag, m. Audio-CD" von Dirk Radtke
Vergeltungsschlag erzählt die Vorgeschichte eines Amoklaufs. Wie konnte es dazu kommen, dass der 17jährige Tobias seine Familie und mehrere Mitschüler erschossen und sich anschließend selbst umgebracht hat?
Von derartigen Amokläufen hört und liest man leider immer wieder. Doch die Tat an sich ist nicht Thema des Buches. Stattdessen wird die Vorgeschichte von Tobias erzählt, beginnend ab einem Zeitpunkt vor knapp 10 Jahren.
Es wird beschrieben, wie der Junge, dessen erste Lebensjahre scheinbar völlig normal verlaufen sind, zum Ziel von Aggressionen, Mobbing, Quälerei und Demütigungen bis hin zu physischer und psychischer Folter wird. Dies alles sowohl innerhalb der eigenen Familie als auch durch Mitschüler. Kontrollinstanzen wie Lehrer oder das Jugendamt scheinen nichts davon wahrzunehmen.
Ist es da ein Wunder, dass der Junge eines Tages um sich schlägt und sich an seinen Peinigern rächt? Das Buch ist keine Rechtfertigung für einen Amoklauf, aber es zeigt auf, wie es zu einem derartigen Ereignis kommen kann.
Aufgrund der gewählten tagebuchähnlichen Erzählform ist man als Leser hautnah dabei, für mich an einigen Stellen fast zu nah. Beinahe unerträglich fand ich das Fehlen jeglicher Hoffnung. Egal, was Tobias tut oder wem er versucht nahezukommen, es geht schief, alles was ihm etwas bedeutet wird ihm weggenommen oder zerstört.
Es handelt sich hier ganz sicher nicht um Wohlfühl-Lektüre. Ich war mehrfach kurz davor, das Buch abzubrechen, weil mir die Grausamkeiten einfach zu viel wurden.
Und die ganze Zeit bleibt im Hintergrund die Frage nach dem Warum: Warum wird Tobias zum Opfer und damit später zum Täter? Wie kann es sein, dass Erwachsene ein Kind dermaßen quälen und warum bemerkt dies niemand und schreitet ein, bevor es zu spät ist? Diese Fragen sind mir wirklich völlig unverständlich. Bei einigen Figuren konnte ich die Handlungen wenigstens ansatzweise nachvollziehen, wenn auch nicht wirklich verstehen, die Beweggründe anderer hingegen blieben mir völlig unverständlich. Aber vielleicht gibt es gar nicht immer einen Grund?
Gerade die Vorstellung, dass so etwas in dieser oder ähnlicher Form jederzeit und überall passieren könnte, also auch im eigenen Umfeld, macht diese Geschichte zu einer sehr verstörenden Lektüre, die an manchen Stellen wirklich nur schwer zu ertragen ist.