Mit Text schlägt Dmitry Glukhovsky ein neues Kapitel auf: weniger Endzeit und Science Fiction, dafür eine realistisch-düstere Milieustudie des heutigen Russlands. Der Roman erzählt die Geschichte von Ilja, einem jungen Mann, der nach sieben Jahren unschuldiger Haft in einer Strafkolonie entlassen wird. Zurück in der Freiheit, findet er sein Leben zerstört: seine Mutter ist verstorben, seine Freundin hat sich entfremdet, und die Gesellschaft, in die er zurückkehrt, ist ihm fremd geworden. Getrieben von Wut und Hoffnungslosigkeit, stößt er auf den Polizisten Petja, der damals für seine Verurteilung verantwortlich war. Ein Moment der Eskalation verändert alles – Ilja nimmt Petjas Handy an sich, und damit beginnt ein neuer, gefährlicher Abschnitt seines Lebens.
Glukhovsky beschreibt in Text eine Welt, in der ein ganzes Leben in einem Smartphone steckt. Kontakte, Erinnerungen, Lügen, Träume – alles, was einen Menschen ausmacht, lässt sich hier durch Nachrichten und Chats rekonstruieren. Diese Idee ist gleichermaßen faszinierend wie beklemmend. Besonders gefallen hat mir, wie der Autor die Alltäglichkeit der digitalen Kommunikation mit der brutalen Realität von Gewalt, Korruption und sozialem Zerfall verknüpft. Weniger gefallen hat mir, dass sich manche Passagen in der Mitte etwas ziehen – die minutiöse Schilderung von SMS-Verläufen wirkt mitunter repetitiv, auch wenn genau das natürlich Teil des Konzeptes ist.
Die Handlung ist beides: spannend und berührend. Sie entwickelt eine fast thrillerartige Intensität, während man gleichzeitig Iljas tragischen Kampf um Selbstbestimmung und Zugehörigkeit miterlebt. Der Leser bleibt hin- und hergerissen zwischen Mitleid, Verständnis und Unbehagen.
Ilja als Figur ist vielschichtig: Opfer, Täter, Suchender. Seine Motive sind nachvollziehbar, auch wenn sie ihn auf einen dunklen Pfad führen. Petja, obwohl früh aus der Handlung genommen, lebt durch sein Handy weiter – und wirkt so trotz Abwesenheit wie eine zweite
Dieses Buch führt vor Augen, wie sehr unsere Identität im digitalen Zeitalter an Geräten, Accounts und Nachrichten hängt – und wie leicht Kontrolle, Überwachung und Manipulation möglich sind, wenn jemand Zugriff auf unser „virtuelles Ich“ erhält.
Wer Glukhovskys Metro-Bücher mochte, sollte sich darauf einstellen, hier eine andere, aber ebenso schonungslose Erzählweise zu erleben. Text ist düster, intensiv, unbequem – und genau deshalb lesenswert.
Ein Roman, der im Kopf bleibt und unter die Haut geht.


























