Rezension zu "Die Schönheit des Kreisverkehrs" von Dominique Paravel
Anfangs ist man in der Lektüre dieses Kurzromans völlig verloren: Wieso fahren wir mit einem Landschaftsplaner für Kreisverkehrinseln (Joaquin) und einer vermeintlichen Beraterin des Kreisverkehrinselgestaltungsunternehmens (Vivienne) durch Frankreich? Im zweiten Kapitel stellte sich dann bei mir ein Lektürespaß ein, weil die Autorin Dominique Paravel ihre Geschichte ungewohnt erzählt: Ihre beiden Protagonisten kommen abwechselnd zu Wort, aber die sich abwechselnden Szenen werden überblendet, so dass der jeweils andere Charakter die letzten Momente noch einmal aus eigener Sicht erzählt. Hinzu treten dann Hintergrund und Lebensweg vor allem von Vivienne, der Beraterin, die sich später als stinkreiche Erbin und ewig Suchende entpuppt.
Die große Schwäche des Romans ist die Behandlung von Joaquins Diabetes als einer Krankheit mit ähnlichem Ächtungspotenzial wie Lepra oder einem künstlichen Darmausgang. Überdies erscheint mir die Wirkungsweise der Diabetes literarisch pointiert zu sein, ich bin allerdings kein Experte.
Die große Stärke ist die sich herausschälende Charakterstudie Viviennes, die ein Leben wie im Kreisverkehr führt: immer suchend, nie ankommend, keinen klaren Weg verfolgend und jedes Ziel mehrfach in den Blick nehmend., Sie umrundet beispielsweise auf der Autofahrt, die zwei Drittel des Romans einnimmt, jeden Kreisverkehr dreimal, um ihn sich genau anzusehen, um dann einem spontanen Impuls zu folgen und der Fliehkraft irgendeine Ausfahrt zu öffnen. So hat sich auch ihr Leben gelebt: frei von materiellen Sorgen, gefüllt mit existenziellen Sorgen.
Da die Metapher des Kreisverkehrs nicht ewig trägt, endet der Roman folgerichtig nach knapp 180 Seiten und hat doch mit jeder Umrundung der Insel gewonnen, auch weil er voller kleiner skurriler Details steckt.