Cover des Buches Corruption (ISBN: 9783426281680)
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Rezension zu Corruption von Don Winslow

From Hero To Zero.

von Gulan vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Ja, es gibt einiges zu kritisieren, dennoch ein packender, mitreißender Thriller.

Rezension

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Gulanvor 7 Jahren
Er schrubbt sich, bis es weh tut. Aber die Striemen gehen nicht weg. Der Schmutz, den er auf seiner Haut, auf seiner Seele spürt, geht nicht weg. Wenn sein Vater von der Arbeit nach Hause kam, ging er immer sofort unter die Dusche. Jetzt weiß er, warum.
Die Straße bleibt an dir kleben.
Frisst sich in die Poren, dringt dir in die Blutbahn.
Und deine Seele?, fragt sich Malone. War das auch die Straße? Du hast die Korruption eingeatmet, seit deinem ersten Streifengang. So wie du den Tod eingeatmet hast, damals im September. Die Korruption liegt nicht nur in der Luft. Sie gehört zur DNA dieser Stadt. Auch zu deiner. (S.393)

Der Norden Manhattans ist das Reich verschiedener Gangs, aber auch der Spezialeinheit des NYPD, der Manhattan North Special Taskforce. Detective Sergeant Denny Malone ist einer der Teamführer und ein Mann der vordersten Front. Sein Team jagt Dealer, Waffenschieber, Mörder. Um Erfolge zu erzielen, hat die Taskforce umfangreiche Befugnisse und geht nicht zimperlich vor. Doch mit der Macht kommt auch die Versuchung und die Gier.

Danny Malone, Phil Russo und Bill Montague alias Big Monty bilden ein eingeschworenes Gespann. Sie sind gefeierte Polizisten, werfen alles in die Waagschale, um dem Credo des NYPD, die Bürger zu schützen, gerecht zu werden. Gerade Malone pflegt das Image eines Hero-Cops und fühlt sich als König des Stadtteils. Doch die Männer lassen sich von der sie umgebenden Atmosphäre korrumpieren und verlassen die Pfade des Rechtsstaats. Ganz allmählich haben sie eine rote Linie nach der anderen überschritten: Kleine Geschenke annehmen, sich für besonderen Schutz engagieren lassen, begehen Unterschlagungen, bereichern sich an Drogengeld, kassieren Geld von der Mafia und letztlich (hiermit beginnt der Prolog) begeht Malone einen kaltblütigen Mord an einem Drogenboss, weil er sich berechtigt fühlt, das Gesetz selbst in die Hand zu nehmen.

Doch eines wird schnell klar: Dieser Wahnsinn hat System. Bis in die höchsten Etagen der Polizeiführung hat sich ein Schmiergeldsystem entwickelt. Malone und Co. reichen regelmäßig bestimmte Summen weiter. Aber auch in allen weiteren exekutiven Ebenen des Big Apple (Stadtververwaltung, Richter, Anwälte etc.) herrscht Korruption. Des Weiteren bringt ein Konflikt zwischen Bürgermeister und Polizeichef Unruhe beim NYPD, zumal die Entscheidung in einem Prozess um einen von einem Cop erschossenen unbewaffneten Schwarzen wie ein Damoklesschwert über der Stadt schwebt. In dieser Situation wird Malone von FBI und einer ambitionierten Staatsanwältin mit Tonaufnahmen konfrontiert, auf denen er einem Anwalt anbietet, einen für seinen Mandanten genehmen Staatsanwalt zu „besorgen“. Malone wird vor die Wahl gestellt: Lange Haftstrafe, Verlust seines Jobs und seines Vermögen oder er wird eine „Ratte“: Er soll weitere Korrupte in Polizei und Justiz ans Messer liefern.

Also, wenn die Schwarzen nicht auf Schwarze schießen, dann schießen die Cops auf Schwarze.

So oder so, denkt Malone. Es sind die Schwarzen, die sterben.

Und er macht weiter als Cop.
New York macht weiter.
Das Leben macht weiter.
Ja und nein. Das Leben hat sich geändert.
Er ist eine Ratte. (S.259)

Don Winslow war eine Zeit lang einer meiner absoluten Lieblingsautoren. „Tage der Toten“ war eine Wucht und ist immer noch eines meiner Lieblingsbücher. Auch mit weiteren Werken wie „Die Sprache des Feuers“ oder „Zeit des Zorns“ hatte er mich voll überzeugt. Doch dann kam „Vergeltung“, ein wirklich richtig schlechter „Auge um Auge“-Thriller im Jargon eines Landserheftchens, und seitdem habe ich keinen Winslow mehr gelesen. Zumal die seitdem erschienenen Werke auch nicht gerade wohlwollendes Echo fanden. Winslow scheint bei vielen Kritikern und auch einigen Lesern seinen Kredit verspielt zu haben. Dies ist auch bei „Corruption“ spürbar, denn das Buch scheint durchaus zu polarisieren.

Zumindest war bei mir wieder das Interesse geweckt, es wieder mit Don Winslow zu probieren. Und nach über 500 Seiten kann ich nicht leugnen, dass Kritik an einigen Stellen durchaus angebracht ist. Ja, Winslow trägt manchmal verdammt dick auf, er überdreht manche Handlungssequenz und aus Malones Monologen trieft der Pathos. Ja, er vernachlässigt die Figuren und Malone als Protagonist quasi allein durch die ganze, durchaus lange Geschichte zu schicken, hätte man auch anders lösen können. Ja, er schreibt an einigen Stellen viel zu dokumentarisch, als wolle er einen Reiseführer schreiben.

Und dennoch bin ich bei diesem Buch bereit, teilweise darüber hinweg zu sehen. Die Plotidee ist auf jeden Fall bestechend und über viele Strecken hat es auch wieder diesen Winslow-Sound: Kurze, knappe Sätze, harte Figuren, viel Action. Es ist zudem wirklich packend und spannend geschrieben. So komme ich bei „Corruption“ am Ende zu der Einschätzung, dass Don Winslow von der Brillanz früherer Tage zwar noch ein gutes Stück entfernt ist, aber mit diesem Buch zumindest mal wieder die richtige Richtung eingeschlagen hat. Daher runde ich großzügig auf vier Sterne auf.

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