Cover des Buches Die Sache mit dem Dezember (ISBN: 9783257069273)
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Rezension zu Die Sache mit dem Dezember von Donal Ryan

Ein ganzes Jahr - ein ganzes Leben

von Lilli33 vor 9 Jahren

Rezension

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Lilli33vor 9 Jahren
Inhalt:
Johnsey Cunliffe ist anders als andere Menschen, etwas langsam im Denken und ungeübt im Umgang mit anderen. Er lebt in einem Dorf in Irland auf dem elterlichen Bauernhof. Solange diese noch lebten, war Johnseys Leben zwar von Mobbing geprägt, aber auch von der Liebe seiner Eltern. Nach deren Tod ist er auf sich allein gestellt. Als ein Konzern sein Land kaufen will, um zu bauen, weigert sich Johnsey, das Land seiner Vorfahren zu verkaufen. Damit zieht er sich den Zorn der übrigen Bewohner zu, die sich selbst Reichtum erhofften.

Meine Meinung:
Donal Ryan zeichnet mit leisen Worten ein dramatisches Porträt eines jungen Mannes, der anders ist. Johnsey Cutliffe kann nicht gut mit Worten umgehen. Er vermeidet den Umgang mit seinen Mitmenschen und will am liebsten nur seine Ruhe haben. Von Kindheit an wurde er von seinen Mitschülern immer nur gepiesackt und schikaniert. Er ist aber auch ein geborenes Opfer, das sich nie wehrt. Lieber zieht er sich in sich selbst zurück und denkt darüber nach, sich umzubringen. Doch auch dazu fehlt ihm der Elan.

Mir war Johnsey von Anfang an sympathisch. Ich mochte seine ruhige Art, ich verstand seine Handlungsweisen. Und ich hatte auch Mitleid mit ihm. Er, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann, wird von den meisten Leuten verachtet und angefeindet, nur weil er sich nicht wehrt, nicht argumentiert.

Als Leser erlebt man die Geschichte aus Johnseys Sicht. Es wird zwar in der 3. Person erzählt, aber eben ganz nah am Protagonisten. Wir dürfen an seinen tiefsten Gedanken teilhaben. Das ist einerseits toll, weil man Johnsey so sehr nahekommt und ihn gut kennenlernt, andererseits ist seine kindlich-naive Art auf Dauer aber auch ein wenig anstrengend. Schön sind wiederum seine philosophisch anmutenden Betrachtungen des Lebens und des Miteinanders.

Dass die wörtliche Rede, die sowieso nur ganz spärlich vorkommt, ohne Anführungszeichen steht und einfach in den Text einfließt, erfordert eine gewisse Konzentration beim Lesen, passt aber sehr gut zu Johnseys Art. Denn er spricht ja nicht viel.

So begleiten wir Johnsey durch ein ganzes Jahr, zwölf Kapitel von Januar bis Dezember. Wir erfahren, wie es früher, als die Eltern noch lebten, in den jeweiligen Monaten zuging, welche Arbeiten auf dem Hof anfielen, welche Rituale es in der Familie gab. Dann wird übergeleitet zu dem jeweiligen Monat im aktuellen Jahr, zu Johnseys neuesten Erlebnissen und Erfahrungen. Diese Art der Erzählung hat mir sehr gut gefallen, ergibt sich doch so insgesamt ein dichtes Bild von Johnseys Leben und Entwicklung.

Man sollte sich für dieses Buch etwas Zeit nehmen, über das Gelesene nachdenken und es wirken lassen - und sich immer wieder von der melancholisch-betrüblichen Stimmung erholen.
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