Cover des Buches Venezianische Scharade (ISBN: 9783886986224)
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Rezension zu Venezianische Scharade von Donna Leon

Der dritte "Brunetti" nimmt weiter an Qualität zu

von juergenalbers vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Die Figur Brunetti wächst, schöner dritter Fall der Reihe. Lesenswert

Rezension

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juergenalbersvor 8 Jahren

Heiß brütet der August über der Lagunenstadt an der Adria und die Familie Brunetti wartet nur darauf, endlich in die Berge nach Bozen auf Urlaub zu entfliehen. Aber, wie könnte es anders sein, natürlich fährt einer nicht mit: Commissario Brunetti, den wir hier in seinem dritten Fall sehen, wird an die unterbesetzte Polizei in Mestre ausgeliehen. Der ewig missvergnügte Vice-Questore Patta bedeutet Brunetti, es sei nur eine Kleinigkeit, nur ein erschlagener Transvestit, ein Fall "den Sie noch vor dem Wochenende abschließen können". Nur Brunetti wäre nicht Brunetti, wenn er sich wie Patta den liebgewordenen Vorurteilen anschließen würde.

Dieser dritte Roman der Brunetti-Reihe kommt gefälliger und runder daher. Die Figuren gewinnen Farbe und Tiefe. Die Reihe der Nebenfiguren wird durch die stille, elegante Signoria Elettra Zorzi vervollständigt, die in das verwaiste Sekretariat des Vice-Questore einzieht und gleich im ihrem ersten Fall zu einer wichtigen Stütze Brunettis wird. Die Figur der Elettra ist wichtig für die Balance der Figuren in den Brunetti-Romanen. Im Gegensatz zu anderen Polizeiverwaltungen kennt die venezianische Polizei keinen Mittelbau an Kriminalbeamten, wie wir ihn aus französischen oder britischen Romanen kennen. Unterhalb des Commissario gibt es in der Polizeiwelt Donna Leons nur die uniformierten Polizisten, maximal als 'Sergento'. Sergento Vianello, vertrauter Zuarbeiter Brunettis kommt dem berühmt-berüchtigten "zweiten Mann" noch am ehesten, welcher in so zahlreichen europäischen Kriminalromanen eine wichtige Reflexionsfläche für den Hauptprotagonisten darstellt (Was wäre Derrick ohne seinen Partner, Inspektor Harry Klein gewesen?) Aber auch in den späteren Romanen gewinnt Vianello nicht die Statur eines echten zweiten Mannes, auch wenn da und dort Ansätze aufleuchten. Vielleicht hatte Leon bei der Erschaffung Brunettis eher den Typus des Kommisar Maigret vor Augen, dessen Zuarbeiter auch bis zuletzt blass blieben maximal als Leichen oder Konkurrenten auftauchen, wie z.B. in "Maigret und das Gespenst".

Thematisch hält sich Donna Leon in Venezianische Scharaden an bewährte Muster. Wieder einmal ziehen die blutigen Spuren Brunetti in die angeblich so feine Gesellschaft Venedigs. Ausgiebig und mit Wollust wühlt die Autorin in den Untiefen von Moral und Geld, zwei Dingen die in der Menschheitsgeschichte noch nie eine friedliche Koexistenz führen konnten. Der Fall ist logisch aufgebaut, Plot-holes konnte ich keine erkennen und am Ende... Ja, ob die Gerechtigkeit den/die Schuldigen erwischt, das lasse ich mal offen.

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