Dieses Buch konnte ich nicht aus der Hand legen. „Maude“, die wahre Geschichte einer außergewöhnlich starken Frau, von Donna Foley Mabry. Die Geschichte einer Frau in Amerika, geboren 1892, die zum Teil so schonungslos wie ehrlich ist, wurde von ihrer Enkelin Donna aufgeschrieben, vor allem auf Wunsch deren Tochter Melanie. 1892, ein kleiner Ort in Tennessee, eine Straße, wenige Häuser, Farmen, Kirche und nur wenige Geschäfte für den täglichen Bedarf. Dort wurde Maude geboren, eingebettet in Familie und Kirchengemeinde mit festen Regeln, die man ohne zu hinterfragen befolgte. Kein Strom, Wasser aus dem Brunnen, Klohäuschen außerhalb, kein Luxus weit und breit, wenige Dinge, die man zum Leben braucht. Die Wäsche wurde selbst genäht, nichts fertig gekauft oder Geld sinnlos verprasst. Alkohol passte nicht zur christlich ausgerichteten Kirche.
Die wie ein Roman verfasste Biografie liest sich so spannend, dass man in jeder freien Sekunde immer wieder danach greift und weiterlesen will. Dieses Mal haben die Lektoren und Redakteure und auch die Übersetzerin eine gute Arbeit geleistet. Nur an wenigen Stellen erscheint der Text holprig, die Wortwahl nicht geschickt genutzt. In diesen rund 320 Seiten wird, aufgegliedert in 80 Kapiteln ein Leben erzählt, das vor allem für jüngere Leser einfach unvorstellbar erscheinen mag. Im Anschluss runden einige wenige Bilder der Familie und ein Zeitungsartikel die Geschichte ab.
Die Zeitspanne umfasst den Ersten und Zweiten Weltkrieg, dazwischen die Spanische Grippe und Große Depression, lange Dürrezeiten. Maude und ihre Familie mussten danach alles aufgeben was sie besaßen und einen Neuanfang im Detroit der 1950er- und 60er-Jahre wagen.
Wie ein noch viel zu junges Mädchen bereits im Alter von 14 heiratet, zunächst die Liebe ihres Lebens, einen Mann, den sie seit Kindertagen kannte und dann viel zu früh das erste Mal verwitwet wird, erzählen die ersten Kapitel. Doch das Leben bietet ihr noch manche Überraschung, eine weitere Ehe, vier Geschwisterkinder für die erste Tochter, eine außergewöhnliche Schwiegermutter.
Maude erzählt ihr Leben ihrer Enkeltochter Donna, die viele Wochenenden, die Ferien und auch Zwischendurch bei ihr im Zimmer schläft und diese Geschichten als Einschlafhilfen nutzt. Erst als Donna selbst Mutter wird und sie ihrer Tochter diese von der Uroma berichtet, wird ihr klar, dass alles aufgeschrieben werden sollte. Dass daraus ein Buch entstehen würde, es ein Bestseller in Amerika werden würde, hätte sie nie gedacht. Mit dazu beigetragen haben die guten Recherchen, mit denen sie die Erzählungen stützt. Aber auch die schonungslose Berichterstattung über die Gefühlswelt von Maude, ihre Abhängigkeit gegenüber der von ihr besuchten Kirche und dadurch verursachten Handlungen, über die Geburten ihrer Kinder und ihren Freundschaften zu anderen Frauen. Und ja, auch über die Bitterkeit über sich selbst, sich nicht überwunden zu haben, was ihre Wünsche und Bedürfnisse angeht, nicht deutlich genug gewesen zu sein. Gerade in dieser Hinsicht ist das Buch ausdrucksstark und wirkt wie ein Fingerzeig auf die Lebenden, ruft einem zum Handeln auf, nicht zu spät zu reagieren.
Ein emotionales Buch über eine Frau, die bis ins hohe Alter versucht hat ihr Leben zu meistern und das Beste, was ihr möglich erschien, herauszuholen.
Für mich eines der wenigen wichtigen Bücher des Jahres 2016.
Liebe und Tragödie, ein Leben aus der Geschichte Amerikas: Maude