Cover des Buches Der Distelfink (ISBN: 9783844513790)
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Rezension zu Der Distelfink von Donna Tartt

*+* Story lahm, Sprecher topp *+*

von Irve vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Langatmiges Drehen in der Spirale nach unten....ich frage mich immer noch, was Donna Tartt mir mit diesem (Hör-) Buch sagen will...

Rezension

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Irvevor 9 Jahren

Liebe Lesefreunde,
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hin und wieder entscheide ich mich nur bzw. überwiegend wegen des Covers für ein Buch. So war es auch hier. Auf den ersten Blick recht unspektakuär hat diese Buchansicht eine große Wirkung auf mich und wirft gleich viele Fragen auf. Denn schaut man etwas genauer hin, entdeckt man ein paar Feinheiten….
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Warum ist ein Riss im Bild? Warum sitzt ein Distelfink im Hintergrund? Warum ist er verborgen? Und wieso bahnt er sich einen Weg ins Freie, warum öffnet er sich ein papiernes Fenster? Wo ist er verborgen? Möchte er hinaus oder nur heraus schauen?

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Immer wieder schlich ich um das Buch herum. Als ich dann auf einigen Blogs darüber las, war mir klar, dass wohl kein Weg daran vorbei führen würde. Wegen der hohen Seitenzahl von über 1000 Seiten entschied ich mich für das ungekürzte Hörbuch mit gut 30 Stunden Erzählzeit.
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Mit den ersten gelauschten Sätzen war ich mir sicher, die richtige Wahl getroffen zu haben. Der Sprecher Matthias Koeberlin las genau die Stimmung in mich hinein, die zum schlimmen Auftakt passte. Der 13-jährige Theo Decker besuchte mit seiner Mutter ein New Yorker Museum. Eine Bombe explodierte, fast alle Menschen dort – auch seine Mutter – verloren ihr Leben.
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Zu seinem Vater hatte Theo kein gutes, ja eigentlich kann man sogar sagen, gar kein Verhältnis. Also kam er zu „Freunden“, wo er aber nicht auf Dauer bleiben konnte. Ein Nomadenleben begann. Das einzig Konstante war das Gemälde „Der Distelfink“, das Theo unbeachtet in dem Chaos im Museum aus diesem entwendet hatte.
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Aber war dieses Bild ein Glücksbringer für ihn oder doch der Startknopf für eine einzige Talfahrt?
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Theo tat mir sehr leid, war er doch zum Spielball des Schicksals geworden. Andere entschieden oft für ihn, bevormundeten ihn und den tiefen Schmerz, den er seit der Mutter Tod verspürt hatte, konnte niemand lindern. Es versuchte auch kaum jemand wirklich, das tat mir am meisten leid für den Jungen. Dieser tat, was ich schon lange befürchtet hatte, er suchte Trost und den Sinn des Lebens auf seine Weise.
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Aber fand er ihn wirklich? Das einzige, wie es mir erschien, war, dass er nichts gewann sondern verlor. Sich selbst, die Achtung, den Respekt.
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Seine zunehmende Versumpfung und fast schon Verrohung schmerzte mich sehr. Mein Mitleid mit Theo verwandelte sich in Wut. Wut, der ein wenig Hoffnung beiwohnte. Hoffnung, die Kurve zu kriegen, das Leben als solches zu sehen und so wahrzunehmen wie es ist: Lebenswert und schön.
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Leider nahm er den anderen, auf den ersten Blick leichter erscheinenden Weg, was den Roman zunehmend in eine deprimierende und hoffnungslose Stimmung tauchte.
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Theo ließ sich treiben, vergaß nach kurzer Zeit das Kämpfen, wirkte auf mich fast wie eine Marionette seines „Freundes“ Boris, was mich ziemlich erschütterte, denn er hatte andere Möglichkeiten. Hat sie nur nicht gesehen. Oder er hat sie gesehen und nicht erkannt, sie nicht zu schätzen gewusst.
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Der Beginn des Romans hatte mich eingefangen, später dann fühlte ich mich selbst wie ein Vogel im Käfig, der sich aus seinem Gefängnis befreien möchte.
Ich hätte natürlich die Aus-Taste drücken können, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und somit hatte ich noch – wenn auch geringe – Hoffnung, dass alles gut werden könnte….
Der Abstieg des Theo Decker….wurde er zum Alptraum, oder war der junge Mann stark genug für das Leben? Ich lauschte, hoffte, wartete ab, schüttelte traurig den Kopf, lachte, freute mich, erlebte ein wahres Wechselbad der Gefühle…..
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Wenn ich auch nicht der inhaltlichen Umsetzung meine Begeisterung zuteil werden lassen kann, so muss ich der Autorin und auch der Übersetzerin ein Riesenkompliment für die Sprache im Roman machen. Genauso perfektionistisch wie Theo im Verschleiern seines kaputten Lebens wird empfand ich die Sprachgewandtheit der Autorin. Das war ganz großes Kino, sehr hohes Niveau und hielt mich neben der Hoffnung auf ein gutes Ende für Theo bei der Stange. Ich hatte meine Freude an der großartigen Fabulierkunst Donna Tartts, an ihren Wortkunstwegen, die sie beschritt.
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Auf den Punkt gebrachte Beschreibungen, schöne Worte. Leider waren diese schönen Worte leere Hülsen. Ich suchte immer wieder den roten Faden, die Spannung, den Antrieb.
Viele Worte für leider sehr wenig Geschehen und Inhalt.
Schöne Worte, wunderschöne Kreationen für depressive Stimmung.
Diese Diskrepanz spiegelt für mich genial den Protagonisten Theo Decker wider.
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Hätte ich nur den tieferen Sinn entdeckt, eine Läuterung der Hauptfigur finden können, wäre der Roman nur in etwas bunteren Farben gezeichnet gewesen, er hätte mich verzaubern können.
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Der Sprecher vermochte durchgehend alle Stimmungen, die ich inhaltlich empfand, hervorragend herauszulesen und an mich heranzutragen. Ein ganz großes Lob an Matthias Köberlin!
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Inhalt:
Es passiert, als Theo Decker dreizehn Jahre alt ist. An dem Tag, an dem er mit seiner Mutter ein New Yorker Museum besucht, verändert ein schreckliches Unglück sein Leben für immer. Er verliert sie unter tragischen Umständen und bleibt allein und auf sich gestellt zurück, sein Vater hat ihn schon lange im Stich gelassen. Theo versinkt in tiefer Trauer, die ihn lange nicht mehr loslässt. Auch das Gemälde, das seit dem fatalen Ereignis verbotenerweise in seinem Besitz ist und ihn an seine Mutter erinnert, kann ihm keinen Trost spenden. Ganz im Gegenteil: Mit jedem Jahr, das vergeht, kommt er immer weiter von seinem Weg ab und droht, in kriminelle Kreise abzurutschen. Und das Gemälde, das ihn auf merkwürdige Weise fasziniert, scheint ihn geradezu in eine Welt der Lügen und falschen Entscheidungen zu ziehen, in einen Sog, der ihn unaufhaltsam mit sich reißt.
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Infos zum Hörbuch:
Das Audiobook zu Donna Tartts „Der Distelfink“ ist im März 2014 unter der ISBN-Nr. 978-3-8445-1379-0 bei Der Hörverlag erschienen. Es umfasst 3 MP3-CDs mit einer Gesamtlaufzeit von 33 Std. und 26 Min.). Es liest Matthias Koeberlin.
Quelle: Randomhouse


Mehr Buchiges findet ihr hier: http://irveliest.wordpress.com
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