Rezension zu "Der Äthiopier" von Dorrit Bartel
Adane wird von seinem Vater mit 5 Jahren von der äthiopischen Savanne in die Stadt zu den norwegischen Nonnen geschickt, um eine Schule zu besuchen. Als Jahrgangsbester startet er sein Medizinstudium mit einem Stipendium. Doch dann kommt es zum Regierungswechsel und Adane wird zum Studium in die DDR geschickt. Medizin ist für ihn leider keine Option mehr, doch nach und nach gewöhnt er sich an das Philosophiestudium, welches er mit einem Doktortitel abschließt. Im Anschluss geht er zurück nach Äthiopien, denn er wird zum stellvertretenden Kultusminister berufen. Nur kurz im Amt erfolgt ein Putsch und Adane muss lange Zeit im Gefängnis ausharren, den sicheren Tod vor Augen. Doch er überlebt und wird freigelassen. Er flieht nach Deutschland, denn dort hat er Freunde und hofft auf einen Neuanfang. Diesen findet er zwar, doch es zieht ihn dennoch zurück zu seinen Wurzeln.
Inspiriert von einer wahren Geschichte. So beginnt der Klappentext dieses Romans. Beim Lesen habe ich mir immer wieder gedacht, was Menschen alles aushalten können und wie wahnsinnig gut ich es finde, dass es auch diese Menschen gibt, die trotz aller Widrigkeiten immer wieder aufstehen, weitermachen und sich nicht unterkriegen lassen. Adane ist wahrlich kein Engel. Vier Kinder von drei Frauen und alle lässt er mehr oder weniger im Stich. Doch was er dennoch für sein Land und seine Familie im Sinn hat, hat mir sehr gut gefallen. Ein Junge, der – nachdem er sich an das Konzept Schule gewöhnt hat – einfach nur lernen und anderen Menschen helfen möchte und der immer wieder durch alle möglichen Umstände davon abgebracht wird. Über Äthiopien wusste ich vor der Lektüre nur sehr wenig, was wirklich schade ist. Daher war es auch sehr interessant, so viel über die Geschichte, die Gegebenheiten dort und auch die Entwicklung zu erfahren. Die Autorin beschreibt dies wirklich sehr bildhaft, aber nicht mit dem verklärten Blick einer Touristin. Sie schafft es auch, Adanes Zerrissenheit zwischen seiner Herkunft, den Traditionen, seiner neuen Lebensweise und seinen Hoffnungen sehr gut einzufangen und zu transportieren. Ein gelungener Roman für alle, die auch mal über ihren europäischen Tellerrand blicken wollen.