Rezension zu "Elizabeth II (Penguin Monarchs): The Steadfast" von Douglas Hurd
Seit 2014 bringt der Penguin-Verlag eine Buchreihe heraus, die "Penguin Monarchs". Es handelt sich um Kurzbiographien aller englischen und britischen Könige und Königinnen seit dem 11. Jahrhundert. Die Reihe beginnt mit den letzten angelsächsischen Herrschern vor der normannischen Eroberung. Auch für Oliver Cromwell ist ein Band vorgesehen. Mittlerweile sind zwei Drittel der 45 geplanten Bände erschienen. Die Bücher sind kleinformatig (13x18,5 cm) und umfassen maximal 150 Seiten. Sie enthalten farbige Abbildungen, Stammtafeln und kommentierte Literaturhinweise. Auch wenn eine entsprechende Angabe fehlt, ist davon auszugehen, dass sich die Bände an historisch interessierte Laien richten, die sich rasch über das Leben der englischen Monarchen informieren wollen. Als Konkurrenz zur renommierten Biographienreihe "Yale English Monarchs", deren Bände eher für den wissenschaftlichen Gebrauch in Frage kommen, sind die "Penguin Monarchs" nicht gedacht. Interessant ist die Reihe dennoch, denn der Verlag hat zahlreiche bekannte Historikerinnen und Historiker als Autoren gewonnen. Damit ist sichergestellt, dass sich die einzelnen Kurzbiographien auf der Höhe des heutigen Forschungsstandes bewegen.
Königin Elisabeth II. (geboren 1926) ist derzeit die dienstälteste Monarchin Europas und der Welt. Seit nunmehr 65 Jahren sitzt sie auf dem britischen Thron. Mittlerweile sind in Großbritannien mehrere Generationen herangewachsen, die außer Elisabeth keinen anderen Monarchen erlebt haben. Die erstaunliche Langlebigkeit ist das einzig Bemerkenswerte an Elisabeth II. Die Königin ist eine Frau ohne Eigenschaften. Das wird einmal mehr deutlich, wenn man die schmale Kurzbiographie von Douglas Hurd gelesen hat. Als einziger Autor der Buchreihe hat Hurd die Monarchin, über die er schreibt, persönlich kennengelernt. Während seiner Amtszeit als Außenminister unter Margaret Thatcher und John Major (1989-1995) begleitete Hurd die Königin auf mehreren Auslandsreisen. Doch auch er muss einräumen, dass die Königin als Persönlichkeit schwer zu erfassen und zu ergründen ist. Elisabeth ist von Natur aus zurückhaltend und reserviert. Einblicke in ihre Gefühle und Gedanken gewährt sie allenfalls ihrer Familie. Seit einer kleinen Ewigkeit geht die Königin mit eiserner Disziplin ihren monotonen Pflichten als Staatsoberhaupt nach. Die ganze Welt kennt das starre, automatenhafte Lächeln, das sie in der Öffentlichkeit zur Schau trägt. Der Mensch hinter der Maske wird nicht greifbar. Für einen Historiker und Biographen ist Elisabeth II. kein dankbarer Gegenstand.
Auch Douglas Hurd gelingt es nicht, etwas Originelles oder Überraschendes über die Königin zu sagen. Sein Büchlein gehört zu den schwächeren Bänden der "Penguin Monarchs". Hurd geht nicht chronologisch vor, sondern thematisch. Er behandelt das Privatleben der Königin und die Rolle, die Elisabeth im politischen System Großbritanniens spielt. Dabei sagt Hurd nichts, was man nicht schon wüsste. Elisabeth II. hält sich konsequent an das Rollenverständnis, das ihr Vater, König Georg VI., vorgelebt hat: Ein konstitutioneller Monarch wahrt strikteste politische Neutralität. Seine politische Ansichten und Überzeugungen, sofern er überhaupt welche hat, behält er für sich. Er tritt nicht als Individuum in Erscheinung, sondern als Symbol für die Einheit der Nation, als Verkörperung britischer Werte und Tugenden. Die Rolle der konstitutionellen Monarchin gestattet es Elisabeth kaum, persönliche Akzente zu setzen. Hurd begegnet der Königin respektvoll, verzichtet aber nicht auf dezente Kritik. Elisabeth II. ist keine gebildete oder kultivierte Frau. Musik, Literatur und Kunst interessieren sie nicht. Ihre einzige Leidenschaft ist die Pferdezucht. Schon als Kind auffallend fügsam und folgsam, hält sie seit ihrer Thronbesteigung unbeirrt an althergebrachten Traditionen und Konventionen fest. Sie selbst und die britische Monarchie wirken deshalb bisweilen wie aus der Zeit gefallen, zumindest auf ausländische Beobachter.
Es hätte nicht geschadet, wenn Hurd abschließend Überlegungen zur Zukunft der britischen Monarchie angestellt hätte. Prinz Charles wird im kommenden Jahr 70. Wenn er eines Tages auf den Thron gelangt, wird er noch älter sein als Wilhelm IV. und Eduard VII., die 65 bzw. 60 Jahre alt waren, als sie die Krone erbten. Welchen Reiz kann es für einen Mann jenseits der 70 haben, noch König zu werden? So makaber es klingt: Elisabeths Langlebigkeit wird zum Problem für den Prinzen von Wales. Der Thronfolger droht zur tragischen, wenn nicht gar lächerlichen Figur zu werden. Ein Ende seines jahrzehntelangen Lebens im Wartestand ist derzeit nicht abzusehen. Man kann nur darüber spekulieren, warum Elisabeth II. eine Abdankung aus Altersgründen nach dem Vorbild der niederländischen Königinnen Wilhelmina, Juliana und Beatrix ablehnt. Die 91-jährige Monarchin ist rüstig wie eh und je. Vor wenigen Tagen verlas sie im Parlament die traditionelle Thronrede. An ihrer Seite war nicht der erkrankte Prinzgemahl, sondern der Thronfolger. Zu sehen war ein bereits sichtbar gealterter Mann, der demnächst in den Spätherbst seines Lebens eintritt. Wird Elisabeth II. als Königin in die Geschichte eingehen, die nicht die Größe besaß, Platz zu machen für die nächste Generation?
(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Juli 2017 bei Amazon gepostet)