Rezension zu "Mercuria" von Michael Römling
Der junge Gazettenschreiber Michelangelo (nein, er ist nicht identisch mit dem berühmten Künstler) lernt Mercuria völlig unverhofft im Jahre 1566 kennen - und ahnt nicht, wie diese Begegnung sein Leben verändern wird.
Denn Mercuria zeigt dem leichtlebigen jungen Mann und verlogenen "Nachrichtenhändler" einen völlig anderen Blick auf das Rom seiner Zeit. Denn die Ewige Stadt besitzt unter allem Pracht der Renaissance noch eine andere, eine erschreckend düstere Seite. Und mit dieser ist die ehemalige Kurtisane Mercuria bestens vertraut ...
Diese Zusammenfassung lässt (wie auch der Klappentext des Buches) vermuten, dass es sich bei Michael Römlings "Mercuria" um einen ziemlich simplen, leicht mysteriös angelegten Historienroman handelt, der vor allem eine Liebesgeschichte zwischen Michelangelo und Mercuria erzählt.
Wer das vermutet: Fehlanzeige.
Die vermutete Liebesgeschichte findet sich nicht in diesem Roman. Denn Mercuria ist nicht die gleichaltrige Schöne, deren Herz der Protagonist zu erobern gedenkt. Mercuria ist gute dreißig Jahre älter als Michelangelo, eine Frau Mitte fünfzig, die in dem jungen Mann, mit dessen verstorbenem Onkel sie bekannt war, eher einen Sohn sieht, und um einiges weiser ist als der Protagonist selbst.
Und das ist bereits ein faszinierender Aspekt. Es gibt tatsächlich viele historische Romane, die einem sehr jungen Protagonisten einen älteren und reiferen Mentor an die Seite stellen, der dem jungen Mann erstmal die Welt erklärt (Rainer M. Schröder verwendet dieses Stilmittel äußerst gern), aber dieser Mentor ist in den meisten Fällen ein älterer Mann. Diese Rolle hier einmal einer Frau zuzuschreiben, noch dazu einer Frau mit zweifelhafter Vergangenheit, war neu und originell.
Mercuria ist daher also eine faszinierende Figur: Rätselhaft, direkt, trotzdem großherzig und aufgrund ihrer Geschichte letztlich auch bemitleidenswert. Nicht, dass sie sich selbst bemitleiden würde - das tut sie zu keiner Zeit!
Michelangelo - der Protagonist und über weite Strecken auch der Erzähler der Geschichte - bleibt hinter seiner "Mentorin" leider etwas zurück, er ist blasser angelegt, etwas langweiliger und war mir als "lügender Journalist" anfangs auch nicht sehr sympathisch (mit verlogenen Journalisten hab ich schon ein Problem ...) Das gibt sich und er reift in seiner neuen Gesellschaft - Gott sei Dank!
Man merkt beim Lesen auf jeden Fall, dass der Autor mit dem Rom und dem Vatikan des 16. Jahrhunderts bestens vertraut ist, Michael Römling weiß, wovon er spricht und kann mit Fakten und Fiktion in einer lockeren, aber nie anspruchslosen Sprache spielen. Die wechselnden Erzählerperspektiven - Michelangelos Erzählung der gerade passierenden Geschichte, die mit den Jahreszahlen gekennzeichneten, bis in das Jahr 1525 zurückreichenden Rückblicke aus Mercurias Leben, die eingefügten "Zeitungsberichte" der Geschehnisse - sorgen auch stets für Tempo und Abwechslung.
Im Nachwort wird dann auch spürbar, wie sehr sich der Autor für die Epoche begeistert, was mir irgendwie sympathisch war - da haben wir schließlich etwas gemeinsam!
"Mercuria" ist sicher nicht das letzte Buch, welches ich von Michael Römling lese!
Verdiente 4,5 Sterne.