Unspektakulär. So will Dror Mishani seinen Ermittler Avi Avraham haben. Kein Morddezernat, keine Kriminalpolizei, er ist einfach nur der Ermittlungschef in einer stinknormalen Bezirkspolizeistation in einem Vorort von Tel Aviv. Und so sind auch die Fälle, mit denen er sich beschäftigen muss - jedenfalls auf den ersten Blick - eher alltäglich und wenig aufregend.
Da ist das Neugeborene, das von einer Frau in einer Tasche im Einkaufszentrum ausgesetzt wurde. Die Videoaufzeichnung der Überwachungskameras gibt den ersten Hinweis, Nachbarn, die Babygeschrei gehört haben, einen weiteren, und bald sitzt eine resolute Frau vor der Polizei, die wild entschlossen ist, ihre Wahrheit, ihre Familie und ihre Version der Ereignisse zu verteidigen und justizfest durchzusetzen. Mit viel Geschick, Hartnäckigkeit und etwas Glück gelingt es der Polizei, eine andere Variante der Geschehnisse ans Licht zu bringen.
Und dann ist da noch der Tourist, der aus dem heruntergekommenen Strandhotel verschwunden ist. Schweizer, wie es scheint. Doch im Verlauf der Ermittlungen entdeckt Avi Avraham einen französischen Pass, einen Namen, der mit dem Finger in den Staub einer Fensterscheibe gekritzelt wurde, zwei schlecht versteckte Pakete voll mit Kokain und eine Geliebte, die aus dem Libanon stammt und in Frankreich als Journalistin arbeitet, und der Fall des Touristen beginnt Kreise zu ziehen, die bis zu den Schaltzentralen des Auslandsgeheimdienstes Mossad reichen und dort offenbar Nervosität auslösen.
Dror Mishani erzählt wie stets klug und einfühlsam. Seine Geschichten sind glaubwürdig und doch spannend und interessant, er braucht keine falschen Fährten und keine wilde Action, um uns einzunehmen. Dass am Ende immer nur eine plausible Variante vieler möglicher Wahrheiten steht, ist so etwas wie sein Markenzeichen, aber es ist die Konzession Mishanis an das wirkliche Leben, wo wir meist auch nicht so genau sagen können, was tatsächlich geschehen ist.