Im Zuge der "Fischer Crime Classics"-Reihe sind nun bereits schon einige Titel veröffentlicht worden, dessen Autorennamen bei heutigen Krimilesern wohl meistens nur ein Stirnrunzeln hervorrufen dürfte. E.C. Bentley ist da keine Ausnahme. Selbst im englischsprachigen Raum völlig in Vergessenheit geraten, wird seine Reihe um den Hobbyermittler Philip Trent auch bei Kennern des Genres auf Unkenntnis stoßen. Und das völlig zu unrecht.
Bereits 1941 titulierte Howard Haycraft den ersten Band, der ironischerweise "Trent's letzter Fall" heißt, als "Eckpfeiler der Detektivgeschichte", und in der Tat stellt dieses Buch den Beginn einer neuen Ära da. Bekannt als das "Golden Age" des Kriminalromans. Als Prototyp des Cosys, des beschaulichen, lauschigen Landhauskrimis, ebnet dieser Titel den Weg für eine Vielzahl bekannter Autoren wie Agatha Christie, Dorothy L. Sayers und John Dickson Carr. Die Geschichte sei nur kurz angerissen:
Genannter Philip Trent wird von seinem Chefredakteur kontaktiert, der einen neuen Auftrag für ihn hat. Sigsbee Manderson, Multimillionär, Geschäftstycoon und Börsenspekulant, ist tot im Obstgarten vor seinem Landhaus aufgefunden worden. Die Wall Street tobt, der Scotland Yard tappt bei seinen Ermittlungen im Dunkeln. Trent bietet seine Unterstützung an und wird in einen Fall involviert, der sich nicht nur als schwierigster seiner Karriere herausstellen soll, sondern auch einige Überraschungen für ihn bereithält...
Als Gegenentwurf zu dem Meisterdetektiv Sherlock Holmes kreiert Bentley die Figur Philip Trent, einen freundlichen, lebensfrohen Maler und Journalisten, dessen Vorliebe die Kriminalistik ist. Und im Gegensatz zu Doyles Werken schüttelt der Autor hier das steife britische Getue ab, reagiert er auf die modernen Zeiten und den Wunsch der Leser, intelligent unterhalten zu werden und ein Amüsement zu bieten, dass nicht nur auf einem intellektuellen Miträtseln fußt, sondern ein heimeliges Gefühl bei ihm erwecken soll. Die Detektivgeschichte wird zu einem Spiel zwischen zwei Wettkämpfern umgestaltet, das zwar nicht immer realistisch, aber kurzweilig ist. Ein Kritikpunkt, den sich die Vertreter des Genres (Ann Granger, Martha Grimes, P.D. James) noch heute gefallen lassen müssen, der dem Erfolg dieses Genres aber auch knapp hundert Jahre nach dessen Entstehung keinen Abbruch getan hat. Um also dieses Buch in Gänze genießen zu können, sollte man sich auf diese Elemente einlassen können, wenngleich Bentley sogar mit einigen Regeln des "Golden Age" bricht.
Im Gegensatz zu seinen Nachfolgern legt der Autor nämlich nicht alle Indizien offen, die nötig sind, damit der Leser den Fall selbst lösen kann. Er spielt unfair. In diesem Fall ist das aber dem Plot geschuldet, der knapp in der Mitte eine Wendung erfährt, welche bei mir für Erstaunen gesorgt hat. Ich wäre sogar gänzlich überrumpelt worden, würde der Klappentext nicht traurigerweise hier viel zu viel verraten. Meiner Meinung nach ist das sehr ärgerlich.
Der guten Unterhaltung hat das insgesamt keinen Abbruch getan und der anfangs zäh in Gang kommende Plot, weiß dank der schönen, altertümlich anmutenden Sprache sowie der tollen Umgebung zu begeistern. Einzig und allein Trents Hang zum Zitieren stört etwas den Lesefluss, wird aber im wieder mal äußerst aufschlussreichen Nachwort von Lars Schafft näher erklärt. Überhaupt wäre allein dieser Anhang den Kauf des Buches wert, fasst er doch gekonnt die Entwicklung des Cosy-Romans zusammen und gibt er tiefe Einblicke in Bentleys Gedankenwelt, der dieses Buch seinem Freund G.K. Chesterton (Der Autor der Father Brown-Geschichten) gewidmet hat. Auch wenn die Liebesgeschichte etwas stört, die Affektiertheit Trents mitunter nervt, bleibt am Ende des Tages ein gutes Buch, dessen finale Auflösung mich zufrieden zurückgelassen hat.
Insgesamt ist "Trent's letzter Fall" ein guter, sehr früher Vertreter des "Golden Age", den alle Freunde dieses Zeitalters genießen und mit Adleraugen betrachten sollten. Ein vergessener Schmöker mit geschichtlicher Bedeutung, der zudem noch Spaß macht.