Cover des Buches Zimmer mit Aussicht (ISBN: B0033M3S92)
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Rezension zu Zimmer mit Aussicht von E. M. Forster

Rezension zu "Zimmer mit Aussicht" von E. M. Forster

von Sokrates vor 13 Jahren

Rezension

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Sokratesvor 13 Jahren
Anfang der Jahrhundertwende besuchen Miss Bartlett und Miss Honeychurch Florenz. Die eine jung, Miss Bartlett hingegen ist bereits in den reiferen Jahren und Lucy Honeychurch als Anstandsdame zur Seite gestellt. Der Roman beginnt mit einer Unverfrorenheit des Hotelpersonals: man gewährt den beiden englischen Damen eben kein Zimmer mit Aussicht auf die Dächer der Stadt Florenz, eben kein „Zimmer mit Aussicht“. Miss Bartlett kann sich in altjüngferlicher Ereiferung derart darüber aufregen, dass ihnen schließlich ein Mr. Emerson – am gleichen Tisch sitzend – ihr Zimmer anbietet; Männer bräuchten keine „schöne Aussicht“. Von all diesem Gezeter wenig beeindruckt Lucy; ihr Interesse liegt eher beim jungen Mr. Emerson, der bei all dem Gehörten verschmitzt dreinlächelt. Man begegnet sich immer wieder in Florenz, mal mit, mal ohne Baedeker und so entspinnt sich – zu allem Ärger der Anstandsdame Miss Bartlett – eine zarte Zuneigung, die daheim in England auf ziemlich arge Widerstände stößt und fast nicht zu einem glücklichen Ende kommt... E. M. Forster hat hier – ganz oberflächlich betrachtet – einen Liebesroman geschrieben. Eigentlich jedoch ist es ein Sittengemälde des England um die Jahrhundertwende, mit seinen sexuellen Verklemmungen, den starren Standesschranken, verknöcherten Verhaltensregeln, welche dort aufbrechen, wo junge Menschen in leidenschaftlicher Liebe aufeinandertreffen. Hat man jedoch eine Anstandsdame dabei, kann sich die junge Liebe nicht wirklich entfalten.... Und selten, dass dem Herzen in diesen Zeiten gefolgt wird; so auch in „Zimmer mit Aussicht“ anfangs nicht, Lucy entscheidet sich zunächst für die „anständige“ Ehe mit Cecil, sie scheut sich vor der Auseinandersetzung mit der eigenen Mutter und Miss Bartlett, die gegen den jungen Mr. Emerson Vorbehalte hat. Sie wirft ihm vor, er würde Lucy allenfalls verführen wollen, nicht jedoch ernsthaft heiraten. Miss Bartlett handelt hier aus Überzeugung: sie selbst war als junges Mädchen Opfer eines solchen Mannes geworden; ihre Nichte will sie nun vor diesem Schicksal bewahren. Als sie jedoch erkennt, dass es Mr. Emerson jun. Ernst meint mit seiner Zuneigung, kann sie die Sache noch retten. Es ist sympathisch zu lesen, wie E. M. Forster hier die Wende einleitet und am Ende der romantischen Liebe den Vorzug gibt. Immerhin in Zeiten, in denen man derlei Gefühlen bei der Suche nach einem passenden Ehepartner noch nicht einen sehr hohen Stellenwert einräumte. Zwar handelt es sich vordergründig um einen Liebesroman; zwischen den Zeilen ist es jedoch eine gelungene Karikierung bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse und eingefahrener Verhaltensrituale. Sprachlich gut zu lesen, reich an Bildern und Eindrücken aus dem herrlich romantischen Italien. Originalgetreu und streng an der literarischen Vorlage von James Ivory verfilmt (Helena Bonham-Carter, Julien Sands).
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