Eberhard Nellmann

 3,8 Sterne bei 18 Bewertungen

Alle Bücher von Eberhard Nellmann

Cover des Buches Parzival I und II (ISBN: 9783618680079)

Parzival I und II

 (12)
Erschienen am 27.02.2006
Cover des Buches Das Annolied (ISBN: 9783150014165)

Das Annolied

 (6)
Erschienen am 01.01.1986

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Cover des Buches Parzival I und II (ISBN: 9783618680079)
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Rezension zu "Parzival I und II" von Eberhard Nellmann

Ein komplexer Artusroman
stefan182vor 4 Jahren

Inhalt: Parzival und seine Mutter Herzeloyde leben fernab der Ritterwelt in der Waldeinöde, da Herzeloyde nicht möchte, dass Parzival das Schicksal seines Vaters ereilt. Doch als Parzival zufällig einer Gruppe von Rittern begegnet, ist es um ihn geschehen: Sie zunächst für himmlische Wesen haltend, erwächst in ihm der Wunsch, selbst in die Welt auszuziehen und Ritter zu werden. Höfische Tugenden sind dem isoliert aufgewachsenen Parzival fern, sodass sein Weg in die Artusgesellschaft und (später) in die Gralsgemeinschaft steinig wird. 

Persönliche Meinung: Der „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach ist ein komplexer mittelhochdeutscher Versroman. Dies liegt einerseits daran, dass er - anders als andere Versromane („Iwein“ oder „Erec“) - nicht nur einen Ritter-Protagonisten besitzt, sondern neben dem titelgebenden Parzival noch zwei weitere: 1. Gahmuret, den Vater Parzivals, durch den die Herkunft Parzivals erzählt wird; 2. Gawan, der Höfischste aller Artusritter, dessen Handlungsbogen in seiner Breite mit dem von Parzivals vergleichbar ist und der (in Abgrenzung zu Parzival) keinen religiösen, sondern einen weltlichen Weg geht. Andererseits bricht „Parzival“ mit zeitgenössischen Erzählmustern. Als Strukturmerkmal des höfischen Artusromans wird in der germanistischen Forschung häufig der Doppelweg genannt (verkürzt gesagt: Der Ritter zieht aus, bestreitet episodische Aventiuren (=ritterliche Bewährungsproben), gewinnt so Frau und ére/Ehre, kehrt beim Artushof als (scheinbar) ehrenvoll ein, gerät dort aber in eine Krise und erkennt seine Verfehlungen im 1. Aventiureweg, sodass er erneut auszieht. Beim zweiten Auszug bestreitet er parallele Aventiuren, die vergleichbar mit dem 1. Aventiureweg sind, und erhält so die immerwährende ére, was einem Happy End gleichkommt). „Parzival“ macht das bedingt anders: Zwar existieren einzelne Hinweise auf einen Doppelweg (episodische Aventiuren; Krise am Höhepunkt, bedingt parallele Konstruktion der beiden Wege), doch besitzt „Parzival“ kein direktes Happy End, seine Verfehlung wird nicht 100%ig deutlich, der doppelte Cursus ist komplexer und neben Parzival gesellt sich Gawan als ebenbürtiger Protagonist. Auch die Handlung ist vergleichsweise komplex: Sie ist hochgradig durchkomponiert und beinhaltet einzelne Aufdeckungen, die an ein modernes anachronistisches Erzählen erinnern. Man muss den „Parzival“ also mindestens zweimal lesen, um ihn in voller Gänze verstehen zu können (Ich habe ihn für verschiedene Seminare mittlerweile fünfmal gelesen und jedes Mal hat er mir noch ein bisschen besser gefallen :D). Mich hat an „Parzival“ besonders das Hervortreten des Erzählers begeistert. Dieser stellt sich in einzelnen Episoden in den Fokus und erläutert selbstbewusst, wieso er die gerade gelesene Szene so und nicht anders erzählt hat. Ich möchte in diesem Kontext nur kurz auf den Prolog eingehen, in dem der Erzähler ein recht modernes und (für das Mittelalter) progressives Selbstverständnis offenbart: Metaphernreich führt er dort aus, dass eine Geschichte nicht schwarz-weiß sein könne, sondern auch immer Grautöne beinhalte (was sich übrigens in den Protagonisten von „Parzival“ widerspiegelt). Um diesen Anspruch bildhaft zu untermauern, nennt er im Prolog diverse Vergleiche, die, so der Erzähler, für „tumbe liute“ (salopp: für Einfältige) zu schwer seien. Wie diese Vergleiche werde auch seine Erzählung zwischendurch ausweichen, sich umkehren; mit anderen Worten: hakenschlagen. Das hakenschlagende Erzählen ist im „Parzival“ Programm: Am Ende bleiben einzelne Fragen offen; es wird anachronistisch erzählt, Sinn entsteht oft erst aus der Retrospektive, bestimmte Handlungen erscheinen unmotiviert, bisweilen scheint die Handlung wirr, der Gawan-Parzival-Wechsel ist abrupt. Der Interpretationsspielraum ist dementsprechend groß und das ist es, was den "Parzival" so interessant macht. Die Ausgabe des Deutschen Klassiker Verlags umfasst zwei Bände, in der sich sowohl der mittelhochdeutsche Text als auch eine neuhochdeutsche Übersetzung finden. Der zweite Band besteht aus einem Stellenkommentar (360 Seiten!), einem Personenverzeichnis und einem kurzen wissenschaftlichen Beitrag, der in Autor, Werk, Interpretationsansätze und Rezeption einführt. 

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