Diese Bemerkungen der Kunstlehrerin zum Selbstporträt ihrer Schülerin Kirsten sorgt dafür, dass das Mädchen aus dem Klassenraum flieht. Es ist der Beginn der Handlung gleichzeitig einer Idee, die der Ich-Erzähler und sein neuer Mitschüler Carl aushecken, um der Lehrerin ihr Fehlverhalten vor Augen zu führen.
Dieser Roman ist weniger die Geschichte dieser Idee und ihrer Umsetzung, die an sich schon ganz putzig ist, es ist vielmehr ein Gesamtkunstwerk. Vor allem die Sprache hat es mir angetan, sie ist herrlich und man kann sie nicht treffender beschreiben, als der Ich-Erzähler, der uns seinen Namen nie verrät, seinen neuen Freund Carl beschreibt: "Er war wirklich jemand, der im vorteilhaftesten Sinn aus der Zeit gefallen war und sich in fast allem völlig von der unheldenhaften Gegenwart abhob, die er, so war ich mir sicher, genauso verachtet wie ich." (S. 158) Dieser gekonnte Mix aus Archaismen und moderner Sprache, einer gelegentlich für mich etwas märchenhaft anmutenden, jedoch liebevoll - buchstäblich - in die Kunstwelt hineininszenierten Handlung, hat mich total gefangengenommen. Es gibt mehrer Bildbeschreibungen, die Carl höchst kompetent vorträgt und die absolute Lust machen, sich mit Spitzweg eingehender zu beschäftigen. "Denn das konnte Carl wie keiner sonst: diesen Ton treffen, der ein Kunstwerk immer erst einmal gegen seine vermeintlichen Gegner, die Betrachter, zu verteidigen versucht, als stünde es vor Gericht. Aber dann die Bildbeschreibung wie ein Plädoyer verlautbaren, das eine angewidert dreinblickende Bank von Geschmacksgeschworenen von der zweifelsfreien Unschuld des grundlos angeklagten Mandanten zu überzeugen vermag." (S. 244)
Ein Roman, der mir wirklich Spaß gemacht hat und den ich gerne weiterempfehle an alle, die Freude an Sprache haben. Wer sich dann noch für Kunst interessiert, kann mit diesem Buch nichts falsch machen.