Rezension zu "Ich blieb in Auschwitz" von Eddy de Wind
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„Seltsam, dass das Leben weiterging (…) Wir bilden uns ein, mit unserer Geliebten der Mittelpunkt des Universums zu sein. Aber dem Universum ist es egal, ob wir glücklich sind oder im Schnee krepieren"
Im Jahr1942 ging Eddy de Wind, ein jüdischer Arzt aus Amsterdam, als Freiwilliger in das Durchgangslager Westerbork, im Osten der Niederlande. Dort lernte er Friedl, eine junge jüdische Krankenschwester kennen. Die beiden verliebten sich und heirateten im Lager. 1943 werden sie jedoch nach Ausschwitz deportiert und getrennt. Friedl landet in Block 10, wo medizinische Experimente an den Frauen vorgenommen werden. Den beiden gelingt es trotz allem, ihren Kontakt aufrecht zu erhalten.
Gegen Ende des Jahres 1944, als die Russen schon nahe sind, schicken die Nazis Kolonnen von Häftlingen auf die berüchtigten Todesmärsche, Richtung Deutschland. Darunter ist auch Friedl. Eddy versteckte sich jedoch und blieb bis zur Befreiung durch die Russen in Ausschwitz. Zuvor, gleich nach dem Abzug der Deutschen, fand er eine Kladde und begann über das Erlebte zu schreiben. Zu traumatisiert von allem, schrieb er nicht in Ich-Perspektive, sondern erschuf die Figur Hans als seinen Erzähler. Dies ist also seine Geschichte – eine von vielen aus dem größten Vernichtungslager des Zweiten Weltkrieges, besonders auch, da sie praktisch noch während des Krieges im Lager direkt entstanden ist.
Zurück in den Niederlanden, wird Eddy nach dem Krieg seine Ausbildung als Psychoanalytiker fortsetzen und eine eigene Praxis gründen. Auschwitz beeinflusst sein
ganzes Tun: Als Psychoanalytiker spezialisiert er sich auf die Behandlung von Menschen mit schweren Kriegstraumata. 1949 erscheint ein von ihm verfasster, wissenschaftlicherbedeutungsvoller Artikel, in dem erstmals das „Überlebensschuld-und KZ-Syndrom“
beschrieben wird.
Eddy de Wind stirbt im September 1987 im Alter von 71 Jahren.
Mit seiner Geschichte wollte er aufzeigen, „wie manche Menschen einander noch unter den unmenschlichsten Bedingungen beistehen, sich lieben und es schaffen, sich eine Art Freiheit im Denken zu bewahren (…)“ Des Weiteren weist seine Erzählung darauf hin, „wie Intoleranz und Überlegenheitsgefühle im Extremfall die unvorstellbarsten Gräueltaten zur Folge haben können.“
Aber vor allem geht Eddys größter Wunsch in Erfüllung, den er am Ende seiner Aufzeichnungen äußert: Am Leben zu bleiben, um davon zu erzählen. Um die Menschheit davon zu überzeugen, dass dies alles wirklich passiert ist.
Der Hang zur Grausamkeit, der bei jedem zivilisierten Menschen von klein auf systematisch von seiner Umgebung und durch Erziehungsmaßnahmen unterdrückt wird, war im deutschen Volk durch die nationalsozialistische Moral bewusst entfesselt worden.“