Cover des Buches Geister der Toten (ISBN: 9783958391451)
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Rezension zu Geister der Toten von Edgar Allan Poe

Zwei Meister, Ein Werk

von Mueli77 vor 9 Jahren

Rezension

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Mueli77vor 9 Jahren

Mit „Edgar Allan Poes Geister der Toten“ legt der Splitter Verlag eine Sammlung an Adaptionen vor, die Richard Corben in den Jahren 2012 bis 2014 veröffentlichte. Darunter sind Umsetzungen von Klassikern wie „Der Rabe“, „Der Untergang des Hauses Usher“, „Der Doppelmord in der Rue Morgue“ oder auch „Das Fass Amontillado“, sowie das Gedicht „Geister der Toten“, welches der Sammlung auch den Namen gibt, aber nicht von Corben bebildert wurde. Zu den einzelnen Geschichten möchte ich nichts verraten. Wer Poes Arbeiten kennt, der wird ohnehin um deren Qualität wissen. Doch warum sollten sie dann diesen Band kaufen? Warum sich eine weitere Version dessen zulegen, was man bereits kennt? Und wie ist es mit all jenen, die mit Poe bisher kaum Berührungspunkte hatten, oder es aufgrund der unzähligen Adaptionen nicht wissen, dass es sich hierbei um Edgar Allan Poe handelt?

Zum einen ist Edgar Allan Poe es immer wert angeschafft zu werden. Außerdem ist jede Adaption, egal ob Film, Comic, Hörspiel und was es inzwischen nicht alles gibt, ein für sich eigenständiges Werk, welches zwar die gleiche Basis hat, aber im Ergebnis immer wieder anders ausfällt. Genauso unterschiedlich sind auch die 14 enthaltenen Kurzgeschichten. Zwar immer etwas düster, morbide und manchmal auch rätselhaft, aber trotzdem ganz typisch Poe.
Trotz allem gilt, dass Poe keine leichte Kost ist. Er prüft den Leser und fordert in insgeheim auf seine eigene Sichtweise über das erzählte zu überdenken. Poe erzählt nicht einfach und auch unterhalten ist nicht sein Ding. Er provoziert, verarbeitet und rechnet ab. Mit sich, mit seiner Umwelt, mit Freunden ebenso wie mit Feinden. Viele seiner Werke sind von persönlichen Ereignissen geprägt. Manche davon sind sogar Auslegungen seiner Art und Weise der Bewältigung damit. Manche sind aber auch rein intuitiv entstanden, wie er selbst zugab. Oft ein wenig überspitzt und dramatisiert, und immer wieder spielt Poe auch mit den eigenen Ängsten des Lesers.

Mit Richard Corben hat sich auch kein unbedarfter Künstler Edgar Allan Poes Werken angenommen. Immerhin hat Corben bereits einige von Poes Erzählungen adaptiert. Diese erschienen bereits in dem 2014 bei Splitter erschienenen 350 Seiten starken Kompendium „Creepy präsentiert: Richard Corben“. Nun jedoch will Richard Corben die hier enthaltenen 14 Geschichten nicht einfach nur adaptieren, sondern ihnen auch gleichzeitig seinen eigenen unverwechselbaren Stempel aufdrücken. Corbens Stil passt sehr gut zu Edgar Allan Poe. Seine Zeichnungen erinnern an die Horrorheftchen der 50er bis 70er Jahre. Gemeinsam mit seiner Frau Beth Corben Reed, welche für die Farbgebung verantwortlich ist, schafft er es Poes Erzählungen nicht einfach nur wiederzugeben, sondern ihnen auch eine dazu passende melancholisch düstere Ebene hinzuzufügen, was Poes Werke noch ein Stück weit furchteinflößender macht. Einzig mit seinen Gesichtern habe ich gelegentlich Probleme. Denn Corben ist nicht nur ein Freund von großen Brüsten und leicht molligen Damen, sondern auch von sehr dominanten Nasen, welche die Gesichter seiner Figuren schmücken. So kommt es gelegentlich zu unfreiwillig komischen Momenten, wohingegen andere „deformierte“ Körperteile eher einen gewollten Gänsehautfaktor besitzen. Grundsätzlich hat Corben auch keinerlei Skrupel vor expliziten Darstellungen. Sei es nackte Haut (besonders bei den Damen), wie auch Gewalt oder die Überreste von bereits Verstorbenen. Dem Gegenüber, stehen dann wiederum wundervolle Landschaftsbilder, die aus einem Bildband stammen könnten und eher träumerisch als bedrohlich wirken.

Poe und Corben in einem Band. Was kann es Besseres geben? Nicht viel ehrlich gesagt und trotzdem sollte man bei der Lektüre des Bandes vorsichtig sein. Denn Poe wirkt nach und mit den Bildern von Corben erst recht. Daher ist meine Empfehlung auch, den Band in feinen Dosen zu konsumieren. Die Geschichten können dadurch ihre Wirkung besser entfalten. Außerdem sollt eman sich die Zeit nehmen und sich mit den einzelnen Erzählungen etwas ausführlicher auseinandersetzen. Denn es gibt weitaus mehr in den Umsetzungen zu entdecken, als es oberflächlich gesehen den Anschein hat.
Leider fällt der Preis mit knappen 30 Euro nicht gerade gering aus. Zwar bekommt man ein sehr gut verarbeitetes Hardcover mit solider Bindung und stabilen Seiten in matter Optik, aber der Bonusteil fällt mit einer Covergalerie die gerade einmal aus fünf Bildern besteht eher dünn aus. Nicht einmal an Kurzbiografien von Edgar Allan Poe oder Richard Corben wurde gedacht. Zwar gibt es eine kurze Auflistung mit Werken von und über Richard Corben, aber auch dies kann man nicht wirklich als Bonus bezeichnen. Da wäre in meinen Augen mehr möglich und für „Neuleser“ auch notwendig gewesen.

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