Cover des Buches Poe: Unheimliche Geschichten (ISBN: 9783869711676)
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Rezension zu Poe: Unheimliche Geschichten von Edgar Allan Poe

Weiterer schöner Band aus Galianis illustrierter Reihe

von Buecherschmaus vor 6 Jahren

Rezension

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Buecherschmausvor 6 Jahren
Gleich zu Beginn ein Geständnis: Ich habe bisher noch nie etwas von Edgar Allan Poe gelesen. Seine Geschichten kenne ich nur über den Umweg der Musik. In den Siebziger Jahren vertonte The Alan Parsons Project ausgewählte Werke des Autors auf dem Album „Tales of mystery and imagination“. Ich bin kein Fan von Phantastischer Literatur, von Schauergeschichten oder dunkler Romantik. Deshalb blieb dieser Klassiker für mich ein ebenso weißer Fleck wie beispielsweise E.T.A. Hoffmann.
Dass sich das nun geändert hat, verdankt sich einem neuen Band aus der von Kat Menschik illustrierten Buchreihe des Galiani Verlags. „Unheimliche Geschichten“ umfasst drei kürzere Erzählungen, die einst von Fjodor Dostojewski zusammengestellt wurden, dessen Nachwort auch in das Büchlein aufgenommen wurde. Dostojewski ging es darum, den häufig vorgenommenen Vergleich Poes mit E.T.A. Hoffmann als unzutreffend zu bezeichnen. Der Amerikaner sei auf eine materialistische Weise phantastisch, quasi „einzig der äußeren Gestalt nach“. Anders als Hoffmann, der „die Kräfte der Natur in Bildern“ personalisiere, ginge es Poe darum, unnatürliche Ereignisse denkbar und erklärbar zu machen. Dass Dostojewski E.T.A. Hoffmann für literarisch überlegen hält, verschweigt er nicht. Dennoch bewundert er zum Beispiel Poes Gabe der Imagination und der Schilderung von seelischen Zuständen seiner Protagonisten. So sind auch sicher nicht zufällig zwei Geschichten in der Zusammenstellung vertreten, die als Inspiration für „Schuld und Sühne“ gedient haben könnten.
Es sind zwei der bekannteren Erzählungen, „Das verräterische Herz“ und „Der schwarze Kater“, die sich beide um grausige Verbrechen drehen. In beiden Fällen erzählt der Täter selbst von ihnen, von Beginn an herrscht Klarheit darüber, was geschehen ist. Es geht um das Wie der Taten. Und es geht dem Täter um eine Beichte, der allerdings keinerlei Reue oder auch nur Bedauern zugrunde liegt. Wichtig ist dem Ich-Erzähler allerdings beide Male, nicht als verrückt zu gelten. Dabei ist aber gerade das Verrückt-Sein das, was ins Auge springt. Bei beiden Taten handelt es sich um brutale Morde bzw. Totschlag an Menschen, die der Täter eigentlich mochte, ja im zweiten Fall sogar innig liebte. Und doch scheinen sie ihn kaum zu berühren, er entsorgt sogar in aller Seelenruhe die Leichname und scheint damit sogar durchzukommen. Doch dann entlarvt er sich in beiden Fällen vor der Polizei selbst.
Die letzte Geschichte „Der Teufel im Glockenturm“ ist unbekannter und auch recht abgedreht. Sie handelt von einer kleinen seltsamen Gemeinde in einem holländischen Tal (!) und deren Untergang durch den Besuch eines noch seltsameren Fremden.
Um es direkt zu sagen: Edgar Allan Poe und ich werden wohl keine Freunde werden. Ich bewundere die Modernität seiner immerhin schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandenen Erzählungen (sicher trägt auch die Neuübersetzung von Steffen Jacobs zu der guten Lesbarkeit bei) und habe natürlich großen Respekt vor seinem überragenden Einfluss auf andere Autoren, auf die Kriminalliteratur, die Gothic novel, Science-Fiction und Poesie des Symbolismus. Mir persönlich sind die Geschichten allerdings zu wahnhaft, düster, beklemmend.
Dennoch ist diese Ausgabe eine ganz dringende Empfehlung für alle Freunde des schönen Buch.
Wie gewohnt, ist auch dieser Band der von der Illustratorin Kat Menschik gestalteten Reihe ganz exquisit und individuell ausgestattet – dreiseitiger Farbschnitt, ganzseitige Bilder, neonfarbige Lackschrift - einfach ein Hingucker. Es ist zu bewundern, wie Kat Menschik für jeden der Bände eine ganz eigene Bildsprache und Farbgestaltung findet. Waren es im Vorgängerband „Moabit“ von Volker Kutscher Blautöne und ein eher gedämpftes Orange, die die an Werbeillustrationen der Weimarer Republik erinnernden Illustrationen farblich fassten, so greift Menschik hier zu einer eher abstrakten, surrealen Bildsprache in Neonorange und einem dunklen Lila.
Die illustrierte Reihe von Galiani verlockt zum Sammeln, zum Einfach-alle-haben-Wollen. Meine Lieblingsbände sind „Romeo und Julia“ und besagtes „Moabit“, aber auch Kafkas „Landarzt“ und E.T.A. Hoffmanns „Die Bergwerke zu Falun“ sind richtige Schmuckstücke. Ich freue mich auf jeden Fall auf eine Fortsetzung.
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