Rezension zu "Henry I (Penguin Monarchs): The Father of His People" von Edmund King
Seit 2014 bringt der Penguin-Verlag eine Buchreihe heraus, die "Penguin Monarchs". Es handelt sich um Kurzbiographien aller englischen und britischen Könige und Königinnen seit dem 11. Jahrhundert. Die Reihe beginnt mit den letzten angelsächsischen Herrschern vor der normannischen Eroberung. Auch Oliver Cromwell ist ein Band gewidmet. Mittlerweile sind mehr als drei Viertel der 45 geplanten Bände erschienen. Bald wird die Reihe vollständig sein. Die Bücher sind kleinformatig (13x18,5 cm) und umfassen maximal 150 Seiten. Sie enthalten farbige Abbildungen, Stammtafeln und kommentierte Literaturhinweise. Auch wenn eine entsprechende Angabe fehlt, ist davon auszugehen, dass sich die Bände an historisch interessierte Laien richten, die sich rasch über das Leben der englischen Monarchen informieren wollen. Als Konkurrenz zur renommierten Biographienreihe "Yale English Monarchs", deren Bände eher für den wissenschaftlichen Gebrauch in Frage kommen, sind die "Penguin Monarchs" nicht gedacht. Interessant ist die Reihe dennoch, denn der Verlag hat zahlreiche bekannte Historikerinnen und Historiker als Autoren gewonnen. Damit ist sichergestellt, dass sich die einzelnen Kurzbiographien auf der Höhe des heutigen Forschungsstandes bewegen.
Heinrich I. (1068-1135), der dritte König aus dem normannischen Herrscherhaus, zählt zu den bedeutendsten englischen Monarchen, auch wenn er nicht so berühmt ist wie sein Vater Wilhelm der Eroberer oder sein Urenkel Richard Löwenherz. Heinrichs lange, 35 Jahre währende Herrschaft gilt seit jeher als Schlüsselepoche in der Geschichte Englands und der englischen Monarchie. Zielstrebig setzte Heinrich I. das Werk seines Vaters fort, der 1066 auf dem Schlachtfeld von Hastings die Krone Englands erstritten hatte. Heinrich konsolidierte die anglonormannische Monarchie. Zeitgenossen und späteren Historikern galt Heinrich I. als Inbegriff zahlreicher Herrschertugenden: Der König war ein fähiger Heerführer, gewiefter Politiker und emsiger Gesetzgeber. Und dabei war bei seiner Geburt nicht abzusehen, dass er eines Tages eine so herausragende Rolle spielen würde. Heinrich war der jüngste Sohn Wilhelms des Eroberers. Als Wilhelm 1087 auf dem Totenbett eine Erbteilung vornahm, ging Heinrich leer aus. Der Eroberer legte fest, dass sein ältester Sohn Robert die Normandie erhalten sollte, das Stammland der Dynastie. Wilhelm Rufus, der Zweitgeborene, sollte das Königreich England erben. Heinrich wurde mit Geld abgefunden. Doch der jüngste Königssohn besaß Ehrgeiz, einen langen Atem – und eine gehörige Portion Skrupellosigkeit. Die drei Brüder waren untereinander zerstritten. Zunächst verbündete sich Heinrich mit Wilhelm gegen Robert, den Ältesten. Als der söhnelose Wilhelm Rufus im Sommer 1100 bei einem mysteriösen Jagdunfall starb, sicherte sich Heinrich rasch die Herrschaft über England. Nach einem mehrjährigen Krieg entriss er Robert die Normandie; Robert selbst verbrachte den Rest seines Lebens in Kerkerhaft. Gut zwanzig Jahre nach dem Tod des Vaters hatte es Heinrich geschafft, England und die Normandie wieder in einer Hand zu vereinen.
Edmund King bietet nichts, was einen Leser mit soliden Vorkenntnissen überraschen könnte. Er würdigt Heinrich I. als Monarchen, der seinen Herrscheraufgaben ernsthaft und mit hoher Professionalität nachging, unterstützt von einem Team kluger Ratgeber. Selbst komplexen Finanzfragen widmete der König Zeit und Aufmerksamkeit. Heinrich war ein mittelalterlicher Reisekönig par excellence: Rastlos pendelte er zwischen England und der Normandie hin und her. Die vielen Fahrten über den Ärmelkanal wurden der Königsfamilie schließlich zum Verhängnis. Im Herbst 1120 starb Heinrichs einziger Sohn Wilhelm beim Untergang des sogenannten "Weißen Schiffes". Der verwitwete König ging rasch eine neue Ehe ein, die jedoch kinderlos blieb. Seine zahlreichen unehelichen Söhne waren nicht erbberechtigt. Heinrich blieb daher nichts anderes übrig, als seine Tochter Mathilda, die Witwe Kaiser Heinrichs V., zur Thronerbin zu bestimmen. Die Adligen Englands und der Normandie musste Mathilda durch Eide als Erbin anerkennen. Sie fühlten sich jedoch nicht mehr an diese Eide gebunden, als Heinrich I. Ende 1135 starb. Ein neuer Konflikt innerhalb der Königsfamilie brach aus. Mit Unterstützung der meisten Adligen sicherte sich Heinrichs Neffe Stephan von Blois die Herrschaft über England und die Normandie. Da die streitbare Mathilda sich nicht geschlagen gab, kam es zu einem mehrjährigen Krieg, der als die "Zeit der Wirren" in die Geschichte eingegangen ist. Am Ende obsiegte Mathilda. Ihr Sohn aus zweiter Ehe, Heinrich von Anjou, wurde von Stephan als Thronerbe anerkannt. Heinrich II. knüpfte direkt an das Werk seines namensgleichen Großvaters an, als er 1154 den Thron bestieg. Unter seiner Herrschaft kehrten wieder geordnete Verhältnisse in England ein.
Auf nur rund 90 Seiten zeichnet King ein abgerundetes, wenn auch nicht gerade detailreiches Bild Heinrichs I. Bedenkt man, wie lange Heinrichs Herrschaft währte, wie ereignisreich sein Leben war, so hätte mancher Aspekt etwas ausführlicher behandelt werden können. Das Buch wirkt "schmalbrüstig". Zehn zusätzliche Seiten hätten nicht geschadet.
(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Dezember 2019 bei Amazon gepostet)