KÜNSTLERNOVELLE...
Mozart und seine Frau geraten durch einen Zufall auf die Hochzeitsfeier des jungen Paares Max und Eugenie und werden gebeten, ihre Reise nach Prag für das Fest zu unterbrechen. Die beiden willigen ein, bedanken sich für die Gastfreundschaft mit Geschichten und Anekdoten aus ihrem Leben. So wird die Hochzeit zu einem unvergesslichen Fest. (Verlagsbeschreibung)
Eduard Mörike (1804-1875) zählt zu den bedeutendsten Vertretern der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts zwischen Romantik und Realismus. Seine Künstlernovelle "Mozart auf der Reise nach Prag" erschien erstmals 1855, also knapp 100 Jahre nach Mozarts Geburt (1756-1791).
In der Künstlernovelle geht es um einen fiktiven Tag im Leben von Mozart. Er ist im September 1887 mit seiner Frau Konstanze auf dem Weg nach Prag zur Uraufführung seiner neuen Oper "Don Giovanni". Bei einem Spaziergang im Garten eines Grafen schneidet er gedankenlos eine Frucht von einem Orangenbaum. Dabei wird er von einem Gärtner erwischt und wüst beschimpft - schließlich soll just dieser Orangenbaum an diesem Tag der gräflichen Nichte als Hochzeitsgeschenk überreicht werden. Doch schließlich wird Mozart erkannt und gebeten, mitsamt seiner Frau an den Hochzeitsfeierlichkeiten teilzunehmen. Unversehens gerät Mozart in den Mittelpunkt der Gesellschaft, die entzückt ist von seiner Musik. Es wird musiziert, gegessen und getrunken und erzählt. Am Ende präsentiert der berühmte Musiker das dunkle Ende der Oper "Don Giovanni" - was die Braut Eugenie mit einer leisen Vorahnung seines Schicksals erfüllt...
Mörike zeichnet ein lebendiges, beinahe märchenhaftes Bild Mozarts: verspielt, leichtfüßig und voller Schaffenskraft, aber auch von leiser Melancholie umgeben. Die Reise wird nicht als großes Abenteuer geschildert, sondern als poetische Momentaufnahme voller feiner Beobachtungen, humorvoller Dialoge und tiefgründiger Reflexionen über Musik und Vergänglichkeit. Besonders faszinierend ist der Kontrast zwischen Mozarts kindlicher Verspieltheit und der düsteren Ahnung seines nahenden Todes, die wie ein unmerklicher Schatten über der Erzählung liegt.
Mörike gelingt es, einen sehr persönlichen wenngleich auch fiktiven Blick auf das Musikgenie zu gewähren, was Mozart plötzlich irgendwie nahbar erscheinen lässt. Die Sprache ist dem Entstehungszeitpunkt entsprechend "altertümlich", was ich aber genauso erwartet habe und was mich deshalb nicht störte.
Christian Schmidt liest die ungekürzte Hörbuchversion (2 Stunden und 11 Minuten) angenehm und versiert, hier habe ich gern gelauscht.
Ein sehr schöner Zufallsfund!
© Parden