Eduardo Halfon

 4 Sterne bei 14 Bewertungen
Autor*in von Duell, Der polnische Boxer und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Eduardo Halfon, 1971 in Guatemala-Stadt geboren, ist einer der wichtigsten Schriftsteller der jüngeren lateinamerikanischen Literatur. Ab 1981 wuchs er in den USA auf. Nach seiner Rückkehr nach Guatemala unterrichtete er als Professor für Literatur an der Universidad Francisco Marroquín. Halfons Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. 2009 erhielt er für seinen Kurzroman La pirueta den Premio de Novela Corta José María Pereda, 2011 ein Guggenheim Fellowship für seine Arbeit an Der polnische Boxer und 2015 den Prix Roger-Caillois für Signor Hoffman. Bei Hanser erschienen Der polnische Boxer (Roman, 2014), Wie mein Zuhause zu verschwinden begann (Hanser Box, 2015), Signor Hoffman (Roman, 2016) und Duell (Roman, 2019). Eduardo Halfon lebt in Paris.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Eduardo Halfon

Cover des Buches Duell (ISBN: 9783446263727)

Duell

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Erschienen am 23.09.2019
Cover des Buches Der polnische Boxer (ISBN: 9783423145091)

Der polnische Boxer

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Erschienen am 22.07.2016
Cover des Buches Signor Hoffman (ISBN: 9783446252752)

Signor Hoffman

 (0)
Erschienen am 26.09.2016

Neue Rezensionen zu Eduardo Halfon

Cover des Buches Duell (ISBN: 9783446263727)
Jana_hat_buechers avatar

Rezension zu "Duell" von Eduardo Halfon

Trip to Guate
Jana_hat_buechervor 2 Jahren

Ein junger Mann, der in Guatemala geboren und seine ersten Jahre dort verbracht hat,  reist von seiner neuen Heimat in den USA zurück. Zurück zum Hause der Großeltern und zurück in seiner eigenen Geschichte und Erinnerung. Was ist tatsächlich passiert (ist Salomon im See ertrunken?) oder spielt ihm sein Gedächtnis ein Streich?


Zu Weihnachten habe ich dieses Buch geschenkt bekommen, da ich danach 3,5 Wochen in Guatemala verbracht habe. Ich war sehr gespannt auf das Buch. Es hat mir auch sehr gut gefallen, da man die komplizierten Familienverhältnisse, die etlichen Auswanderungen, Ereignisse aus dem zweiten Weltkrieg und tagesaktuelle Geschehnisse in diesem kleinen Büchlein von knapp 110 Seiten gebündelt hatte. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass das ein oder andere Thema noch intensiver dargestellt wird.

Cover des Buches Duell (ISBN: 9783446263727)
Buecherschmauss avatar

Rezension zu "Duell" von Eduardo Halfon

Traurigkeit
Buecherschmausvor 5 Jahren

Ein Streit unter Brüdern, ein kleines Gerangel führt dazu, dass der Vater zum ersten Mal mit seinen Söhnen über eine stets beschwiegene Familientragödie spricht: den frühen Tod seines älteren Bruders Salomon. Der eine Sohn, Eduardo Halfon, vielleicht der Autor, vielleicht auch nicht ganz, es handelt sich ja um einen Roman, strengt daraufhin Nachforschungen an und schreibt dieses Buch: Duell.


Im Spanischen kann „Duelo“, der Originaltitel, sowohl für „Duell“, als auch für „Traurigkeit“ und „Trauer“ stehen. Die englische und französische Übersetzung hat sich diese Lesart zu eigen gemacht, warum sich der deutsche Verlag für das schmissigere „Duell“ entschieden hat, erschließt sich mir nicht ganz, denn es ist tatsächlich ein Buch der Trauer. Und eines über Erinnerung und Wahrheit. Ein besonders schönes, das sei bereits schon verraten, dazu.


Dieser Onkel Salomon, 1935 geboren, 1940 gestorben, ist eine Leerstelle in der an Leerstellen so reichen Familiengeschichte. Sowohl der mütterliche als auch der väterliche Zweig besteht aus jüdischen Emigranten in Guatemala. Doch während der Vater des Vaters einst, 1919, über die USA über verschlungene Wege, auf denen bereits die Mutter verstarb, zu Verwandten nach Zentralamerika gelangte, gelang es dem Vater der Mutter, der aus Lodz stammte, erst 1946 Europa zu entkommen. Da lagen die Verfolgungen und Leiden des Holocaust bereits hinter ihm. Da war sein Bruder bereits im Ghetto von Lodz verhungert. Da hat er schon einige Lager hinter sich und für die Heinkel-Flugzeugwerke als Zwangsarbeiter geschuftet. Für die Enkel war die eintätowierte Nummer am Arm faszinierend, die Angewohnheit, keinen Rest Essen, auch auf den Tellern der anderen, liegenzulassen, galt für sie als merkwürdige Marotte. Wie in so vielen anderen Familien, wurde über die Vergangenheit und die Leiden in beiden Familien geschwiegen.


Weitgehend geschwiegen wurde auch über den Tod des kleinen Salomon. Wenn Eduardo und sein Bruder in den Ferien zu Gast im Landhaus der Großeltern am guatemaltekischen Amatitlán-See waren, erzählte der Großvater manchmal traurig, dass Salomon hier einst ertrank. Die beiden Kinder gruselten sich daraufhin vor dem See, in dem immer noch der kleine Onkel verborgen lag.


Doch welche Geschichte stimmt denn nun: die des Großvaters, oder die, die der Vater viele Jahre später, die Familie war aufgrund der zunehmenden Bürgerkriegsunruhen in Guatemala 1981 in die USA emigriert, seinen Söhnen erzählte und mit einem verblassten Foto belegte. Dass nämlich der kränkliche Salomon, da seine Eltern sich keinen Rat mehr wussten, allein in ein Kinderkrankenhaus nach New York geschickt wurde, wo er dann 1940 starb, mutterseelenallein und auf einem christlichen Friedhof beerdigt.


Die Neugier des Autors ist geweckt. Und irgendwann, sehr viel später, macht er sich auf, um der Geschichte seiner Familie nachzuforschen.


Er reist nach Polen und nach Deutschland, besucht das Konzentrationslager Sachsenhausen, hält einige Vorträge im IG-Farben-Haus in Frankfurt und versucht etwas über den Aufenthalt seines Onkels in New York herauszufinden.


Und er reist zurück nach Guatemala, trifft den einstigen Gärtner Don Isidoro und gerät bei einer Voodoo-Heilerin in einen gehörigen Rausch. Hier erfährt er von den vielen Kinderschicksalen, die ihr Ende im Amatitlán-See gefunden haben. Und wenn wohl auch keines davon Salomon war, gerät das Buch in diesem Moment zu einem bedrückenden Requiem für all diese kleinen Seelen.


Aus seinen Erinnerungssplittern und Rechercheergebnissen, aus Landschaftsimpressionen und historischen Begebenheiten entsteht ein poetisches, sensibles Stück Literatur. Es bleibt bewusst fragmentarisch, der Wahrheit ist Eduardo nur wenig näher gekommen. Aber er hat ein Buch der Trauer geschrieben und eines des Totengedenkens, eines über das Schweigen und eines über das Exil. Und das auf gerade mal 110 Seiten. Ein dichtes, wunderbares Buch, vielleicht sogar ein Meisterwerk.



Cover des Buches Der polnische Boxer (ISBN: 9783446245990)
Nymphenbads avatar

Rezension zu "Der polnische Boxer" von Eduardo Halfon

Ein Buch der kleinen Wunder
Nymphenbadvor 5 Jahren

Der polnische Boxer ist eine kleine Sammlung miteinander verbundener Geschichten des guatemaltekischen Schriftstellers Eduardo Halfon. Diese Offenbarung erschien im Jahre 2014 fast unbemerkt im Hanser Verlag. Überraschend daran mag vor allem sein, dass es bereits Halfons zehntes Buch ist, aber das erste, das übersetzt wurde. Das Original erschien bereits 2008 und im September 2019 erscheint – nach „Signor Hoffman“ von 2016 – sein lang erwartetes „Duell“.

In dem vorliegenden kleinen Puzzle bewegen sich Halfons Fragmente mühelos von Antigua, Guatemala, einem kulturellen Transitpunkt Mittelamerikas, nach Durham, North Carolina, Belgrad und Póvoa do Varzim, Portugal. Erzählt wird das alles von dem Protagonisten „Eduardo Halfon“, einem jüdisch-guatemaltekischen Schriftsteller und Literaturprofessor (ein Zufall, diese Ähnlichkeit mit dem Autor). Die Geschichten kreisen unter anderem um Themen wie Kunst und Schrift, Identität, Auschwitz, sexuelle Ekstase und Zigeunermusik. Und sie trumpfen mit dieser ganz bestimmten Art erdiger lateinamerikanischer Intelligenz; beschäftigen sich mit der Suche nach Antworten und geheimen Schlüsseln zu den Rätseln von Leben und Familie, Geschichte und Heimat, Wahrheit und Leidenschaft.

Halfons Neugier auf die Erfahrungen seines Großvaters in einem Konzentrationslager zieht sich durch jedes Kapitel, von der subtilsten Ebene bis zur tiefsten Erkundung. Halfon weiß nur, dass es ein polnischer Boxer war, der seinen Großvater Oitze in Auschwitz gerettet hat, aber die Details bleiben ein Rätsel. Oitze zeigt Halfon selbst nur die grausigsten, aber verschwommensten mentalen Dias von Auschwitz. Dieses klaustrophobische Bild der dunklen, feuchten, mit Flüstereien gefüllten Zelle gibt den Ton für den Großteil des Romans vor. Für Halfon (den Protagonisten) ist die Idee eines Boxers, der Oitze rettet, ein Symbol, an dem er festhält, die Hoffnung, dass etwas oder jemand ihn retten wird.

Im dritten Teil „Epistrophy“, in dem der Erzähler Milan Rakic, einem Halbzigeuner und serbischen Pianisten, der auf einem Kunstfestival in Antigua auftritt, begegnet, beginnt das Buch wirklich zu schweben. Es ist Rakic, „ein moderner Nomade, ein allegorischer Nomade“, der dieses Buch in zwei atemberaubende Kapitel führen wird. Das erste, „Postkarten“, ist eine Serie von rätselhaften Schnappschüssen über Jazz und obskure Zigeunerkünstler, die Rakic von seinen Tourneen rund um den Globus zu Halfon schickt, während der klassisch ausgebildete Musiker als wandernder Akkordeonist immer tiefer in das Geheimnis der Wurzeln seines Vaters hineingezogen wird. Und das zweite, „Die Pirouette“, beinhaltet Halfons außergewöhnliche Suche nach dem verlorenen Rakic, der in „seinem eigenen verdammten Mythos“ irgendwo in der rauchigen Zigeunerunterwelt des postkommunistischen Belgrads verschwunden ist.

Indem er sich selbst als Protagonisten darstellt, vermischt Halfon die Fiktion mit der Realität. Er spielt explizit allwissender Erzähler und den im Dunkel Tastenden. Er vermischt auffallend diese beiden Ebenen und sagt uns: „Literatur ist nicht mehr als ein guter Trick, den ein Magier oder eine Hexe ausführen kann, um die Realität als Ganzes erscheinen zu lassen und die Illusion zu schaffen, dass die Realität eine ganze Einheit ist“. Er wird selbst zu diesem Zauberer, wenn er nach Milan sucht und sich bemüht, eine Postkarte zu rekonstruieren, die er von ihm bekommen hat: „Es gibt immer mehr als eine Wahrheit in allem“.

Die Geschichten sind geschickt und kunstvoll miteinander verbunden – eine amerikanische akademische Konferenz über Mark Twain (der zufällig 1866 durch Nicaragua reiste); ein literarisches Symposium in Portugal, wo Halfon über die leidige Beziehung zwischen Literatur und Realität nachdenkt; Nächte am Strand mit seiner Freundin Lía verbringt, die danach versucht, Ebbe und Flut ihrer Orgasmen auf Papier festzuhalten, als ob sie Wellen oder Träume skizzieren würde. Die Geschichte von Halfons Großvater, der von seinem Zellengenossen, einem Boxer aus der polnischen Stadt Lodz, vor Auschwitz gerettet wurde, weil er ihn in einer lange Nacht auf eine Befragung durch die Nazis vorbereitet.

Im weiteren Verlauf des Romans wird der metafiktionale Farbton stärker und heller. Sein unergründlicher Wunsch, Milan zu finden und Oitzes Vergangenheit aufzudecken, wird als surreales Verlangen dargestellt. Seine Fantasie überschlägt sich, und in dem Versuch, ihre Geheimnisse zu lösen, umarmt er deren Geschichten als seine eigenen. Er vergleicht seine Besessenheit, mehr über ihr Leben zu erfahren, mit der Art und Weise, wie ein neugieriges, krankhaftes, leicht ängstliches Kind unter dem Bett nach Geistern sucht.

Tatsächlich ist es die begrabene Vergangenheit des Großvaters, die schließlich enthüllt wird, die das kraftvolle zentrale Bild des Buches liefert: die „fünf mysteriösen grünen Ziffern, die mir viel mehr auf einen Teil seiner Seele als auf seinen Unterarm tätowiert zu sein schienen“. Als Kind wurde Halfon gesagt, das Tattoo sei gemacht worden, damit sein Großvater seine Telefonnummer nicht vergessen würde. Nach dem Tod seines Großvaters im letzten Akt des Buches „Sonnenuntergänge“ schwingt sich Halfon von den in sein Fleisch eingebrannten Figuren über Lias Zeichnungen und Visionen zu Maya-Tempeln in der Abenddämmerung und sucht atemlos nach einem verbindenden Faden im Gewirr der Elemente des Buches: „Ich dachte an die fünf blassgrünen Zahlen, die jetzt auf dem Unterarm meines Großvaters, unter der dicken schwarz und dunkelviolett karierten Decke, dabei waren, zu sterben. Ich dachte an Auschwitz. Ich dachte an Tätowierungen, Nummern, Zeichnungen, Tempel, Sonnenuntergänge.“

„Der polnische Boxer“ ist ein Buch der kleinen Wunder. Dabei erinnert Halfons Werk in gewisser Weise an andere Autoren, etwa an die Würzigkeit des Kubaners Pedro Juan Gutierrez oder auch an Henry Miller (von dem ein Zitat das Buch eröffnet) bis zu den eindringlichen Stimmen von John Berger und dem Argentinier Edgardo Cozarinsky. Auch die schiere erzählerische Dynamik und Faszination der Mischung aus Leben und Büchern, Sex und Kunst scheinen Echos des chilenischen Meisters Roberto Bolaño zu sein.

Der guatemaltekische Autor glaubt wie Platon, dass „die Literatur eine Täuschung ist, in der der Betrüger ehrlicher ist als der, der nicht betrügt; und der, der betrogen wird, ist weiser als der, der sich nicht betrügen lässt“.

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