Rezension zu "Der Engel mit dem goldenen Schnurrbart" von Christa Kożik
Selbst wenn ein Engel bei strömendem Regen im nassen Hemd und barfüßig auf unserem Fensterbrett steht, an die Scheibe klopft, um eingelassen zu werden, öffnen wir das Fenster nicht, weil unser Verstand uns an der Erscheinung zweifeln lässt.
Die zehnjährige Lilli, die sich aufgrund ihrer Gelbsucht in einer wochenlangen Quarantäne befindet, ist durch die entstandene Leere offener geworden. Sie gewährt dem Engel Ambrosius Einlass in die Menschenwelt.
Solange die beiden unter sich sind, bereichern sie sich gegenseitig durch einen Austausch über ihre unterschiedlichen Welten. Als aber Erwachsene ins Spiel kommen, beginnt für Ambrosius das Drama der Anpassungsforderungen, dem sich Lilli anfangs noch widersetzt, aber dann nachgibt, um den Engel bei sich behalten zu können.
Da man aus einem Engel keinen Menschen machen kann, ist Ambrosius am Ende gezwungen, die Erde wieder zu verlassen.
Wir können die geistige Welt nicht in eine materielle wandeln. Aber die andere Welt kann uns transformieren. Wenn wir die zahlreichen, kleinen Botschaften nicht hören wollen, dann muss es eben eine Krone auf der Schöpfung sein. Das spanische Wort für Krone heißt CORONA!
Das Buch "Der Engel mit dem goldenen Schnurrbart", bekam ich 1983 geschenkt. Seither habe ich es im Religionsunterricht geschätzte fünfzig Mal vorgelesen. Neben der Haupthandlung erhält man einen beeindruckenden Einblick in die DDR-Geschichte.
Ich danke herzlichst Christa Kożik für dieses humorvolle Kinderbuch, das zum Nachdenken anregt. Ich danke der Schriftstellerin für ihre engelhafte Begleitung meines Lebens und das der Kinder.
Die Autorin wohnt nur wenige hundert Meter von mir entfernt in einer Parallelstraße. Aber bisher kenne ich sie nicht persönlich. Vielleicht wird uns ein Engel miteinander bekannt machen. Wenn er einen goldenen Schnurrbart trägt, hat er aus einer fremden Flasche Goldwasser getrunken.
Vera Seidl