In "Die Frauen von Bidi Bidi" erzählt Charline Effah von einer jungen Krankenschwester, die nach ihrer Flucht aus dem Kongo im ugandischen Flüchtlingslager Bidi Bidi landet. Dort trifft sie auf Frauen, die wie sie Gewalt, Krieg und Verlust überlebt haben – jede mit ihrer eigenen Geschichte, jede mit ihren eigenen Wunden. Der Roman verwebt ihre Stimmen zu einem vielschichtigen, emotional dichten Porträt weiblichen Überlebenswillens in einem Ort des Übergangs aus der Sicht von Minga, der Tochter der Krankenschwester die auf den Spuren ihrer Mutter wandelt und nach Antworten sucht.
Charline Effah stammt aus Gabun und lebt heute in Paris. Sie hat sich einen Namen gemacht mit literarisch anspruchsvollen, zutiefst menschlichen Romanen, in denen sie das Erleben afrikanischer Frauen mit poetischer Sprache und scharfem Blick erforscht. Ihre Werke sind mehrfach ausgezeichnet worden und zeichnen sich durch politische Sensibilität und emotionale Tiefe aus.
Meine Meinung
Von der ersten Seite an hat mich dieser Roman in seinen Bann gezogen. Was mich besonders berührt hat, war die stille, aber eindringliche Art, mit der die Geschichten dieser Frauen erzählt werden – ohne Pathos, ohne Übertreibung, aber mit großer Würde. Minga, die Hauptfigur, dient dabei nicht als klassische Identifikationsfigur, sondern als Beobachterin und Erzählerin zugleich. Durch ihre Augen begegnen wir Frauen, die sexueller Gewalt, dem Tod ihrer Kinder oder der Vertreibung entkommen sind – und doch nicht gebrochen wirken.
Effah gelingt es, die Stimmen dieser Frauen nicht zu einer einzigen zu verschmelzen, sondern jede für sich sprechen zu lassen. Ihre Erfahrungen sind hart, aber niemals anonym oder reduziert auf Leid. Es geht um Erinnern, um Identität, um das Recht auf Menschlichkeit. Immer wieder tauchen poetische Bilder auf, die das Unsagbare greifbar machen – etwa wenn das Schweigen zwischen den Zelten schwerer wirkt als die Hitze oder wenn ein Lied, das gesungen wird, mehr Trost spendet als Medizin.
Besonders eindrucksvoll ist die Atmosphäre im Camp: Die Enge, der Staub, das Misstrauen – aber auch kleine Lichtblicke wie ein Gespräch, ein geteiltes Stück Brot oder ein Blick, der Mut macht. Die Spannung entsteht nicht durch äußere Handlung, sondern durch die emotionale Intensität, die zwischen den Zeilen liegt. Das hat mich oft innehalten lassen – um das Gelesene zu verarbeiten, um über die eigene Position nachzudenken.
Auch das historische und politische Umfeld – von kolonialer Gewalt bis zur Rolle internationaler Hilfsstrukturen – wird klug angedeutet, nie dozierend. So entsteht ein dichtes Netz aus persönlichen Geschichten, politischer Realität und literarischem Anspruch.
Fazit
"Die Frauen von Bidi Bidi" ist ein Roman, der leise spricht – und gerade deshalb lange nachhallt. Die Sprache ist poetisch, aber klar, die Figuren glaubhaft und berührend. Ein wichtiges Buch über weibliche Stärke, Erinnerung und Würde.