Elena Medel

 3,5 Sterne bei 60 Bewertungen

Lebenslauf

Elena Medel, geboren 1985, gelang mit ihrem Debütroman Die Wunder im Herbst 2020 ein literarischer Sensationserfolg. Als erste Frau gewann sie den prestigeträchtigen Premio Francisco Umbral. Übersetzungen in 15 Sprachen folgten. Im Alter von 19 Jahren gründete Elena Medel ihren eigenen Lyrikverlag, La Bella Varsovia. Drei Gedichtbände, zwei Bücher mit Essays erschienen in unabhängigen Häusern. Elena Medel lebt in Madrid und arbeitet an einem neuen Roman.

Quelle: Verlag / vlb

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Cover des Buches Die Wunder (ISBN: 9783518473702)

Die Wunder

 (60)
Erschienen am 11.12.2023

Neue Rezensionen zu Elena Medel

Cover des Buches Die Wunder (ISBN: 9783518473702)
Gwhynwhyfars avatar

Rezension zu "Die Wunder" von Elena Medel

ein feiner Gesellschaftsroman
Gwhynwhyfarvor einem Jahr

Der Anfang: «Sie gräbt in ihren Taschen und findet nichts. Die in der Hose leer, auch die im Mantel: nicht mal ein zerknülltes, feuchtes Taschentuch. Im Portemonnaie gerade noch ein Euro zwanzig. Alicia braucht das Geld erst nach dem Schichtwechsel, aber es ist ein ungutes Gefühl, fast blank zu sein. Ich arbeite im Bahnhof, in einem der Läden für Snacks und Süßigkeiten, dem bei den Toiletten. So stellt sie sich gewöhnlich vor. In Atocha muss sie an allen Geldautomaten Gebühren bezahlen, also steigt sie eine U-Bahn-Station vorher aus, zieht sich in der Filiale ihrer Bank zwanzig Euro und ist etwas ruhiger.»


Sie sind sich nie begegnet, María und Alicia, Großmutter und Enkelin – doch beide wohnen in Madrid, wissen nichts voneinander. María kommt Ende der Sechziger während der Franco-Diktatur in die Hauptstadt, weil sie als Familienschade galt. Man schickte sie weit weg, damit sich niemand das Maul zerreißen konnte. Ihr uneheliches Kind wurde ihr weggenommen und zur verheirateten Schwester gegeben. Kurioserweise arbeitet María nun als Kindermädchen, als Hausangestellte, und fast ihr kompletter Lohn landete bei der Familie zur Erziehung für die zurückgelassene Tochter Carmen, die später Alicia das Leben schenken wird. Die Jüngere flieht 30 Jahre später vor der Mutter und dem sozialen Elend nach Madrid, um im Leben etwas zu erreichen. 


«Sie hat mich María genannt … Nicht ‹Mutter›, sie hat mich beim Vornamen genannt. Ich solle ja nicht auf die Idee kommen, dort aufzutauchen, denn das sei ein wichtiger Tag für sie, und es habe keinen Sinn, dass ich Interesse vortäuschte, wenn ich nie welches gehabt hätte.»


Zwei Frauen im Wandel der Zeit, Frauenleben mit harten, unterbezahlten Jobs, arbeiten bis zur Erschöpfung – und immer fehlt das Geld um sich etwas im Leben aufbauen zu können. Eine Welt, von Männern dominiert! Doch es geht ein Ruck durch die Gesellschaft, und beide lösen es auf ihre Weise, um nicht immer hinten anstehen zu müssen. María arbeitet heute als Altenpflegerin – den Kontakt zu ihrer Tochter Carmen hatte ihr die Familie verwehrt, ihr Plan, die Tochter nachzuholen, hatte sich in Luft aufgelöst. Später nimmt sie mit der Tochter Kontakt auf, doch die weist sie barsch ab. Betteln passt nicht zu Marías Charakter, sie werden sich nie wiedersehen. Carmen hatte einen scheinbar erfolgreichen Geschäftsmann geheiratet und es sich gut gehen lassen, ihr Leben mit shoppen verbracht. Größere Wohnungen, bessere Schulen, protzige Autos, teurerer Kleider ... sie hatte es geschafft. Doch nie hatte sie gefragt, wo das Geld herkam. Ihr Mann hatte seine Restaurantkette auf Pump aufgebaut und irgendwann brach das Imperium während der Wirtschaftskrise zusammen, und er nahm sich das Leben. Der totale Absturz für Frau und Töchter ...  


«... gab es noch keine Straßenbeleuchtung in dem Viertel, das auch das meiner Eltern war, und als mein Vater geboren wurde, gab es noch keine Kanalisation. Sie kamen von dort her, hatten ihre Herkunft hinter sich gelassen und kauften immer größere Lokale und Wohnungen, in besseren Vierteln. Sie hatten die Schule abgebrochen, doch wir würden unseren Abschluss an einer Privatschule machen.»


Die mittlere Generation, Carmen, kommt in diesem Roman nur als Nebenfigur vor, was ich schade fand. Sie geht im Corte Inglés einkaufen, bloß nicht im Supermarkt um die Ecke – und sie bezahlt mit Kreditkarte. Das spanische Klassensystem ist einerseits das Thema, auf der anderen Seite die Entwicklung der Emanzipation; ein typischer Gesellschaftsroman. María hat seit über 20 Jahren eine feste Beziehung, – doch ihre Unabhängigkeit ist für sie das wichtigste im Leben. Sie darf am Tisch sitzen bleiben, wenn Pedro mit den Kumpeln über Politik und die Arbeiterbewegung diskutiert – bedienen und putzen. Doch dann entdeckt sie für sich selbst die Politik, macht den Mund auf. Die Männer staunen. Sie setzt sich aktiv für Frauenrechte ein, geht engagiert auf Frauendemonstrationen, bildet sich weiter, verkörpert die aktive spanischen Arbeiterklasse. Alicia wiederum beginnt ein Studium, bricht schnell ab und arbeitet als Verkäuferin in einem Bahnhofs-Kiosk, lebt mit einem Mann zusammen, den sie nicht liebt, der ihr aber Sicherheit gibt, finanzielle Sicherheit. Zeitlebens hat sie den sozialen Abstieg nach dem Suizid ihres Vaters nicht verkraftet, steckt immer noch tief in der Scham, herauskatapultiert zu sein aus der «besseren Gesellschaft». Auf der einen Seite fand ich den Roman recht gut, sprachlich fein austariert. Auf der anderen Seite konnte mich die Geschichte nicht richtig packen auf Grund der distanzierten Perspektive. Ein gut dargestelltes Gesellschaftssystem im Lauf der Geschichte von Spanien.



Elena Medel, geboren 1985, gelang mit ihrem Debütroman Die Wunder im Herbst 2020 ein literarischer Sensationserfolg. Als erste Frau gewann sie den prestigeträchtigen Premio Francisco Umbral. Übersetzungen in 15 Sprachen folgten. Im Alter von 19 Jahren gründete Elena Medel ihren eigenen Lyrikverlag, La Bella Varsovia. Drei Gedichtbände, zwei Bücher mit Essays erschienen in unabhängigen Häusern. Elena Medel lebt in Madrid und arbeitet als einzige Stipendiatin der Fundación BBVA an einem neuen Roman.


Cover des Buches Die Wunder (ISBN: 9783518430286)
hundertwassers avatar

Rezension zu "Die Wunder" von Elena Medel

Man merkt die Absicht und ist verstimmt
hundertwasservor einem Jahr

Mit Spanien als Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse gibt es ein literarisch vielfältiges Land zu entdecken, dessen Autorinnen und Autoren in loser Folge hier im Mittelpunkt stehen sollen. Zwei Beiträge zu Spanien erlesen gab es bereits. Nun ist mit Elena Medel eine junge Stimme zu entdecken, der mit ihrem Prosa-Debüt Die Wunder laut Suhrkamp-Verlag ein literarischer Sensationserfolg gelang, oder wie es die Zeitung El País formulierte: „Die beste Lyrikerin dieses Landes hat sich mit nur einem Buch in die beste Romanschriftstellerin dieses Landes verwandelt.“

Nun habe ich natürlich nicht die gesamte spanische Literaturszene gelesen und für einen Abgleich parat. Aber auch mit den bislang hier auf dem Blog vorgestellten Werken als Referenzgröße würde ich diese etwas steile These doch bezweifeln.

"Die Wunder" erzählt von zwei Frauen, deren Leben abwechselnd in Schlaglichtern vorgestellt werden. Da ist María, die als Alleinerziehende ihre Tochter Carmen in der Obhut ihres Bruders lässt und die neben ihrem Brotjob auch am politischen Kampf Interesse gefunden hat. Sie motiviert ihre Bekannten zu Protest und versucht eine Verbesserung ihrer prekären Stellung als Frau in der Gesellschaft herbeizuführen.

Die andere Frau ist Alicia, die Enkelin von María. Sie laboriert am Schmerz des Verlusts ihres Vaters. Dieser, dem Anschein nach ein erfolgreicher Geschäftsmann und Gastronom, begann von Schulden bedroht, Selbstmord. Diese Erfahrung des Verlusts prägt Alicias Leben seit Kindertagen und setzt sich in der Schule mit Mobbing und Ausgrenzung fort. Beide Frauen kämpfen mit der von der Gesellschaft ihnen zugedachten Rollen, müssen um ihr finanzielles Auskommen kämpfen und werden sich erst sehr spät im Buch überhaupt einmal wirklich begegnen.

Die Stellung der Frau in der spanischen Gesellschaft

"Die Wunder" ist ein Buch, das seinen Finger in die Wunde legt und von der schwierigen Stellung der Frau in der spanischen Gesellschaft erzählt. Im Doppelporträt der beiden Frauen treten die Strukturen deutlich zutage, die zu prekären Lebensverhältnissen führen und ein Vorankommen der Frau verhindern, sei es Ende der 70er Jahre oder in der Gegenwart. Auch die Großstadt Madrid, in die beide Frauen unabhängig voneinander kommen, ist dabei nicht viel fortschrittlicher als die ländliche Umgebung, der sie eigentlich entfliehen wollen. Armut, Geldmangel und fatale Abhängigkeiten von Männern lauern überall.

Leider ist "Die Wunder" aber auch ein Buch, das sichtlich schwer am eigenen Gewicht und der Bedeutung trägt. Die Absätze stehen in monolithischen Blöcke, der Ernst und die Gravitas sind jeder Seite eingeschrieben. Dabei entwickeln die beiden Hauptfiguren zumindest für mein Empfinden auch kein wirklich spannendes Eigenleben, stattdessen blieb ich den Medels Frauen gegenüber merkwürdig distanziert und konnte keinerlei Bindung zu ihrer Lebenswelt und Problem aufbringen, auch wenn ich mich wirklich bemüht habe.

Die Sprache (Übersetzung aus dem Spanischen von Susanne Lange) ist recht uniform und austauschbar, die Dialoge oftmals von einem politischen Programm denn der glaubhaften Artikulation von Befindlichkeiten oder Eindrücken geprägt. Die schlaglichtartige Erzählweise, die sich auf Schlüsselmomente und -erlebnisse im Leben der Figuren konzentriert, konnte mich trotz einzelner starker Episoden (etwa die Verzweiflung Marias nach dem Auffinden der toten Seniorin, die ihr zur Pflege anvertraut war oder die Hängung Alicias durch eine Gruppe von Schüler*innen während der Schulzeit) über die ganze Länge des Buchs ebenfalls nicht wirklich mitreißen.

Fazit

In Bezug auf Elena Medels Buch lässt sich für mich einmal mehr die großartige Sentenz Goethes aus dem Schauspiel Torquato Tasso: Man merkt die Absicht und ist verstimmt. Hier tritt mir auch das Anliegen der Autorin, vom Kampf zwei Frauen in zwei Generationen gegen die herrschenden patriarchal geprägten Gesellschaftsstrukturen etwas zu sehr in den Vordergrund und drängt Figuren, Prosa, Sprache und den Plot zu sehr in den Hintergrund, als dass sich für mich Lesefreude eingestellt hätte.

Von einem aktivistischen Standpunkt aus ist "Die Wunder" sicher spannend zu lesen, für mich als Roman ist das Ganze leider nicht wirklich überzeugend, auch wenn ich mit dieser Meinung sicherlich in der Minderheit bin, wenn ich die begeisterten Stimmen des Guardian, von Hilary Mantel bis zur Buchhändlerin Maria-Christina Piwowarski nachverfolge.

Cover des Buches Die Wunder (ISBN: 9783518430286)
herrzetts avatar

Rezension zu "Die Wunder" von Elena Medel

Ich hätte gerne "die Wunder" gefunden, aber dieser Roman blieb mir fern.
herrzettvor 2 Jahren

Manche Bücher machen es mir nicht leicht, so auch "Die Wunder" von Elena Medel. Es ist ein feministischer Roman über zwei Frauen verschiedener Generationen, die zwar miteinander verwandt, sich aber nie begegnet sind. In zwei Handlungssträngen porträtiert Medel das Leben von Menschen der Arbeiterklasse - der eine spielt Ende der 60er Jahre und der andere in unserer heutigen Zeit - Herausforderungen eines Umzugs aus der ruhigen Provinz in die Großstadt Madrid, die Unabhängigkeit und der harte Kampf ums Überleben aus zwei verschiedenen Perspektiven/Zeiten/Generationen werden thematisiert. Beide Frauen Maria, sowie ihre Enkelin Alicia stranden mittellos in Madrid, beide versuchen ihren Weg zu gehen; lassen alles zurück. Maria müht sich als Kindermädchen und Hausangestellte, schickt fast ihr ganzes Geld ihrer Familie, die sich um ihre zurückgelassene Tochter Carmen kümmert. Und darin liegt dann auch fast schon die ganze Tragödie dieser Geschichte...


"Carmen weiß nicht, wer ich bin, und ich könnte sie nicht beschreiben. Wenn mich jemand nach ihrem Gesicht fragt, nach ihrem Verhalten, dann erzähle ich, was das Bild auf meinem Nachttisch zeigt. Meine Tochter bewegt sich nicht, sagt nichts zu mir, weiß nicht, wer ich bin. Sie ist gefangen in einem Foto."


Obwohl dieser Roman nicht nur dieses bewegende Drama, sondern auch thematisch sehr viel zu bieten hat, gar nicht uninteressant ist, so war ich doch recht schnell erschöpft. Dieses Springen zwischen den Zeiten, lange ausgeschmückte Bilder, das häufige nicht wissen wer nun wo und was und überhaupt hat mir sehr schnell die Freude daran genommen. Einzelne, wirklich tiefgründig emotionale Gedankengänge habe ich gefunden und doch konnte ich beiden Protagonistinnen durch diese Überforderung gar nicht wirklich nahe kommen. So habe ich dieses Buch dann auch recht schnell wieder zur Seite gelegt und bleibe mit recht gemischten Gefühlen zurück. Einmal bin ich irgendwie enttäuscht, dass der Aufbau mich hinderte komplett in diese Geschichte einzutauchen, diese Sprünge nervten ungemein und doch machen gerade sie dieses Spiel zwischen Nähe und Distanz, damals und heute fast schon wieder interessant.

Ich würde auf jeden Fall raten, zuerst anzulesen und zu gucken, ob dieser Text was mit einem macht und ob er einen erreichen kann, wenn es nicht sofort zündet... es bleibt so, da können die Themenwelten noch so gut sein, die Sprünge sind einfach zu irritierend.

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