Cover des Buches Die Klavierspielerin (ISBN: 9783499158124)
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Rezension zu Die Klavierspielerin von Elfriede Jelinek

Die Klavierspielerin - Elfriede Jelinek

von SonnenBlume vor 10 Jahren

Rezension

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SonnenBlumevor 10 Jahren
Erika Kohut ist eine strenge Klavierlehrerin, die mit Ende 30 noch immer bei ihrer herrschsüchtigen Mutter wohnt. Ihre Mutter wollte sie immer zu einer großen Pianistin machen, aber geworden ist Erika „nur“ eine Lehrerin, die ihre Schüler genauso erniedrigt, wie sie es immer von ihrer Mutter wird. Zuhause hat sie keine Privatsphäre, da es in der Wohnung keine Schlüssel zu den Zimmern mehr gibt. Alle Freiheiten, die sich Erika nimmt, seien es der Besuch eines Pornokinos oder das längere Ausbleiben am Abend, werden von der Mutter mit Gewalt geahndet. Harre werden ausgerissen, Schläger verteilt. Später folgt die Versöhnung.
Durch die Kontrolle, die ihre Mutter auf sie ausübt, entwickelt Erika den Hang zur Selbstverletzung, wird kleptomanisch und versucht durch harte Pornos zumindest etwas Gefühl in sich zu erzeugen, scheitert jedoch jedes Mal daran.
Plötzlich tritt der Schüler Walter Klemmer in Erikas Leben, für den eigentlich nicht der Klavierunterricht im Mittelpunkt steht, sondern die Nähe zu Erika, die diese jedoch verweigert. Er möchte seine Professorin erobern, Erika ist damit aber vollkommen überfordert.
In der nächsten Klavierstunde überreicht sie ihm einen Brief mit ihren geheimsten Wünschen, die extrem sadomasochistisch geprägt sind. Nach der Stunde folgt Walter ihr nach Hause und geht zusammen mit ihr in die Wohnung. Erika lügt ihrer Mutter vor, sie müsse noch etwas mit dem Schüler besprechen. In ihrem Zimmer schieben sie eine Kredenz vor die Tür. Die Mutter betrinkt sich aus Verzweiflung selbst, weil sie denkt, der junge Mann sei nur hinter Erikas Geld her.
Erika bittet Walter, den Brief sofort zu lesen. Auf die Wünsche, die dort geschrieben stehen, reagiert er wütend und stürmt aus der Wohnung. Nach diesem Abend erscheint Werner nicht mehr zu den Klavierstunden und Erika wartet nach seinem Klarinettenunterricht auf ihn. In einer Putzkammer möchte Erika Walter durch Oralsex befriedigen, es kommt jedoch zu keiner Erektion. Aus Frust über sein sexuelles Versagen stürmt er aus der Kammer und ruft Erika in der Nacht an, sie solle ihm die Wohnungstüre öffnen.
Als sie ihm aufschließt, stürmt er in die Wohnung, sperrt die aufgeregte Mutter, die mit der Polizei droht, in ein Zimmer ein und vergewaltigt Erika im Flur der Wohnung. Anschließend verlässt er ohne ein Wort die Wohnung.
Am nächsten Tag bewaffnet sich Erika mit einem Küchenmesser und fährt in die Technische Hochschule, an der Walter studiert. Als sie ihn in einer Gruppe junger Leute mit einem Mädchen flirten sieht, nimmt sie das Messer aus ihrer Tasche und stößt es sich leidenschaftslos und ohne irgendeine Regung in die Schulter. Blutend geht sie nach Hause.

Die Klavierspielerin ist ein extrem schwieriges Buch. Oft gestaltet es sich schwer, die Kernaussage der Geschichte herauszulesen, weil die Autorin gerne ausschweift und eine unglaubliche Menge an Information auf eine einzelne Seite packt.
Ich habe weder einen Doktortitel der Psychiatrie, noch ein abgeschlossene Psychologiestudium, aber ich vermute, die Protagonistin hätte ganz dringend Hilfe gebraucht. So unter dem Kontrollzwang der Mutter zu stehen, kann nicht gesund für die menschliche Psyche sein. Das Problem äußert sich in Selbstverletzung und dem mehr als fragwürdigen Umgang mit Sexualität und Erregung.
Auf der anderen Seite beschreibt das Buch aber mit Sicherheit auch ein weit verbreitetes Phänomen der Musikszene: Eltern, nicht ausschließlich Mütter, setzten ihre Kinder unter enormen Druck, um diese auf Erfolg zu drillen. Aber oft, so wie in Erikas Fall, geht dieses Vorhaben schief und herauskommt eine verkorkste Persönlichkeit, die in der Gesellschaft keinen richtigen Platz hat und mit so alltäglichen Dingen wie Liebe und Sexualität nichts anzufangen weiß.

Es geht aber nicht nur um den Zwang zum Erfolg, sondern auch um eine Mutter-Tochter-Beziehung, die stellenweise mehr als kaputt ist. Die Mutter sieht in ihrer Tochter nicht mehr als ein Anlagemittel, das das Geld für eine Eigentumswohnung beschafft. Nachdem sie den Vater schon verjagt hat, ist das die einzige Möglichkeit, aus der Bruchbude, in der im Moment gehaust wird, heraus zu kommen.

Das Buch ist wirklich alles andere als einfach und es wirkt noch lange nach. Zusätzlich und als Vergleichsmittel habe ich mir den Film angeschaut, der sehr gut umgesetzt ist und das Gelesene unglaublich eindringlich wiedergibt.

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