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Neue Rezensionen zu Elisabeth Asbrink

Asbrink, Und im Wienerwald stehen noch immer die Bäume

Österreich/Schweden im Jahre 1939: Die Nationalsozialisten lassen sich in Österreich nieder, und die Juden sind hier und auch in Deutschland nicht mehr erwünscht und werden verfolgt. Um ihr einziges Kind zu retten, schicken die jüdischen Eltern Josef und Elise Ullmann ihren Sohn Otto nach Schweden, in der Hoffnung, dass es ihm dort besser ergehen wird. So zieht Otto im Februar 1939 mit vielen anderen Kindern zusammen in die Fremde nach Schweden. Aber auch dort hat er es nicht leicht. Die Einstellung der Schweden zu den jüdischen Einwanderern wird hier auch sehr deutlich dargestellt, was für mich absolut neu war. Er verbringt dort die Kriegszeit und steht mit seinen Eltern in anfangs regen Briefkontakt, der hier wahrheitsgemäß wiedergegeben wird. Wobei wir hier keine Passagen aus seinen Briefen lesen, denn die gibt es nicht mehr. Die sehr persönlichen hoffnungsvollen Briefe der Eltern voller Sehnsucht nach ihrem Kind mit den Ereignissen verschiedener Zeiten lassen uns nur mutmaßen, wie elend ihnen damals gewesen sein muss und wie sehr sie immer wieder auf ein kleines Lebenszeichen warteten, um ihn gut aufgehoben zu wissen. Man lernt die Familie aus den Briefen recht gut kennen, was es noch betrübter macht, als diese schrecklichen Jahre voller Grausamkeit ohnehin schon waren und leidet unendlich mit ihnen. Die Hoffnung sinkt im Laufe des Buches immer weiter, und ein jeder weiß, dass es auch keine mehr gab, denn Ottos Eltern wurden wie viele Millionen andere Juden in Auschwitz vergast. Das ist die schonungslose wahre Geschichte, die einen traurig, betroffen und auch wütend zurücklässt. Dafür gibt es kaum die richtigen Worte, und über dieses Buch, was man nicht einfach so nebenbei lesen kann, denkt man noch sehr sehr lange nach.

Erschütterndes Zeugnis menschlicher Grausamkeit

Otto lebt mit seinen Eltern Josef und Elise in Wien. Sie spielen Tennis, sind regelmäßige Gäste in der Oper, aber auch bei Fußballspielen. Der Vater ist angesehener Journalist, die Familie ist zufrieden und glücklich, sie haben viele Freunde und enge Beziehungen zu ihren Verwandten. Doch dann schleicht sich der pure Horror in diese Idylle und dieser hat einen Namen: Antisemitismus.
Elisabeth Åsbrink schildert die Anfänge der Verfolgung und wie sich die Lage für die kleine Familie immer mehr zuspitzt. Schließlich ergreifen die Ullmanns die einmalige Chance, wenigstens ihren 13-jährigen Sohn Otto in Sicherheit zu bringen. Er ist eines von 100 auserwählten Kindern, die nach Schweden einreisen dürfen. Der Abschied fällt natürlich nicht leicht.

“Die offene Tür des Eisenbahnwaggons lockte dunkel mit Rettung, doch sobald Otto hinaufgestiegen war, spürte er den Verlust im Rücken. Von der Sonne in den Schatten.” (Zitat Seite 91)

Der zuweilen etwas poetisch anmutende Schreibstil drückt vieles durch Bilder und gewollte Wiederholungen aus. Elisabeth Åsbrink hat es geschafft, mich ganz in diese bedrückende Atmosphäre zu entführen, die Verzweiflung und Not der Familie wird greifbar.
Dazu tragen vor allem auch die vielen überlieferten Briefe bei, die Ottos Eltern nach Schweden geschrieben haben. Zahlreich werden diese im Buch verwendet und lassen die Familie Ullmann für einen Moment wieder lebendig werden. Man fühlt mit ihnen, leidet mit ihnen, freut sich mit ihnen über die Fortschritte, die Otto in der Ferne macht.
Ottos Antwortbriefe sind zwar nicht mehr erhalten, aber seine Sicht der Dinge ergänzt natürlich die Seiten. Genau wie viele Informationen über die politische Lage der Zeit, die mir teilweise noch vollkommen neu war und deshalb sehr interessant.

“Die Briefe, die Tag für Tag eintrafen, waren sowohl Rettungsleine als auch Stacheldraht, Wiedersehen und Abschied, zuerst machten sie ihn froh, dann hatte er genug von ihnen, es war einfach kein Platz für alles.” (Zitat Seite 183)

Otto muss sich einleben in einer vollkommen neuen Umgebung, was ihm nicht immer leicht fällt. Zunächst lehnt er sich noch etwas auf, doch bald fügt er sich in sein Schicksal und all das spiegelt sich in den Briefen wider.
Die Eltern sind derweil in Wien ihres ganzen normalen Lebens beraubt und fast alles, was ihnen noch bleibt, ist der Briefkontakt mit ihrem Sohn und die Hoffnung, dass die Entscheidung richtig war und ihn ein besseres Leben erwartet.
Die Briefe haben mich sehr berührt und teilweise sogar zu Tränen gerührt. Obwohl sie keinerlei Mitteilungen darüber enthalten, was sich wirklich in Wien zugetragen hat und wie schlimm das Leben der Familie war, kann man doch zwischen den Zeilen deutlich die Verzweiflung herauslesen. Die Formulierungen ändern sich im Laufe der Zeit, doch was bleibt, ist immer ein Schimmer von Hoffnung. Sogar noch in dem Brief, den Ottos Vater am 26.09.1942 abgeschickt hat und in dem er schrieb:
“Wir müssen nämlich in ein paar Tagen übersiedeln. Wenn Du ohne unsere Nachrichten bleibst, dann nimm es Dir nicht zu sehr zu Herzen. … Lieber Junge, wir sind nicht traurig, und Du sollst es auch nicht sein.” (Zitat Seite 334)
Und doch machen diese Worte sogar mich traurig, nach so vielen Jahrzehnten, vor denen sie geschrieben wurden.

Das Buch lässt die Schrecken dieser Zeit anhand des konkreten wahren Beispiels einer zerrissenen Familie wieder aufleben. Die Briefe zeugen von der Verzweiflung und der Hoffnung und sind sehr aufrührend. Die übrigen Informationen zur politischen Lage, die vor allem die Rolle Schwedens in diesem Kriegsdrama in den Vordergrund stellen, waren erschütternd und informativ.
Nicht zuletzt führt uns Elisabeth Åsbrink auch in einer langen Aufzählung vor Augen, dass Antisemitismus keineswegs eine neue Erfindung ist, sondern vielmehr eine lange erschreckende “Tradition” hat, die bereits in den Anfängen unserer Zeitrechnung ihren Ursprung hat. Was lernen wir daraus? Dass Geschichte sich wiederholt und dass Verfolgung und Ausgrenzung von Minderheiten oder Andersartigen auch heutzutage noch an der Tagesordnung ist. Vielleicht nicht so offensichtlich in Europa, aber anderswo weltweit.

Die Furcht vor dem Fremden und die Angst um die eigene Zukunft ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst – und wird auch erst mit ihr zusammen aussterben.

Fazit:
Ein sehr berührendes, aufwühlendes Buch über ein Familienschicksal, das stellvertretend für so viele Leidende, Verfolgte und Getötete steht. Interessant ist auch die Verbindung zum inzwischen weltbekannten IKEA-Gründer, die vor allem am Ende des Buches beleuchtet wird.

Dem Buch gebe ich 4 von 5 Sterne, da ich mir noch etwas mehr Informationen über den Verbleib mancher Personen gewünscht hätte und zum weiteren Leben von Otto.

Fünfhundert Briefe

bieten einen berührenden Einblick in ein jüdisches Familienschicksal, in das Leben und Sterben - so brutal muss man es leider sagen - einer Wiener Familie, der Ullmanns,  in den Jahren des Nationalsozialismus, das zu einem großen Teil auf den Briefen der Eltern an den Sohn basiert - an den einzigen Überlebenden der Kernfamilie, der sich durch den Einsatz der Eltern 1939 nach Schweden retten konnte.

Die schwedische Journalistin und Autorin Elisabeth Asbrink hat dem Schicksal nachgespürt, mit den Nachkommen gesprochen, versucht, Ottos Leben und das seiner Eltern Pepi und Lisl, die in Auschwitz zu Tode kamen, darzustellen, zu sehen, was mit den anderen Wiener Verwandten geschah: Außer Otto konnte sich keiner retten, alle wurden auf verschiedene, doch immer brutale Art und Weise Opfer des Naziregimes.

Dazu kommt ein pikantes Detail - während seiner Arbeit auf schwedischen Bauernhöfen lernt Otto Ullmann den Sproß einer deutschstämmigen - und sehr deutschfreundlichen, was in diesen Zeiten nationalsozialistisch gesinnten - Familie Ingvar Kamprad kennen, der als Gründer von IKEA in die Annalen eingegangen ist. Aus den Jungen wurden enge Freunde, ihr Schicksal war über Jahre miteinander verknüpft  - und das, obwohl Ingvar über lange  aktives Mitglied der schwedischen Nationalsozialisten war, ja, sich in bezug auf einige Aspekte nie davon losgesagt hat. Doch um diese Freundschaft geht es nur in Ansätzen, weite Teile des Buches beschreiben das Leben der Familie Ullmann, ihr Bestreben, miteinander in Kontakt zu bleiben, ihr Hoffen auf eine gemeinsame Zukunft. Selbstverständlich kann in den Briefen vielen nicht gesagt werden, die Autorin muss versuchen, die Ausführungen zu deuten, zu analysieren, was ihr aus meiner Sicht meistens, aber nicht immer gelingt. Trotzdem bekommt der Leser einen Einblick in den Alltag der Eltern Ullmann in Wien, wo sie bis 1942 ausharrten und verschiedensten Erniedrigungen und Qualen - Vater Pepi musste dafür sorgen, dass andere Juden sich zur Deportation einfanden - ausgesetzt waren.

"Wenige Jahre später suchte Otto um die schwedische Staatsbürgerschaft an. Im Antragsformular beantwortete er die Frage nach seinem Glauben mit "konfessionslos". Er war konveriert zu maßlosem Zorn." (S.304) So eindrucksvolle Passagen gibt es leider nicht allzu viele, doch lohnt sich dieses Buch trotzdem unbedingt, gibt es doch Einblicke in den schweren jüdischen Alltag im Nationalsozialismus und eröffnet auf der anderen Seite eine andere Perspektive - quasi die schwedische Sichtweise, informiert über die  meistensteils nicht hilfreiche schwedische Haltung gegenüber potentiellen jüdischen Flüchtlingen. Für Leser, die mehr über den Alltag im Nationalsozialsmus, über Einzelschicksale erfahren wollen, ein interessantes Werk, wenn auch eines mit Längen auf der einen und Lücken auf der anderen Seite!


Gespräche aus der Community

Ein jüdisches Schicksal in Schweden

Der erschütternde Dokumentarroman über das Schicksal einer jüdischen Familie aus Wien und eine ungewöhnliche Freundschaft in Schweden während der Nazi-Zeit.


Otto Ullmann aus Wien, der 1939 mit 13 Jahren als eines von 100 jüdischen Kindern nach Schweden einreist; Ingvar Kamprad, der Sohn eines schwedischen Großgrundbesitzers, der sich früh den Nationalsozialisten anschließt und 1943, mit 17 Jahren, die Möbelfirma IKEA gründet. Über ein Jahrzehnt hinweg sind die beiden befreundet, und Otto, der seine Familie in Auschwitz verlor, ist nach dem Krieg einer der ersten Mitarbeiter des späteren Weltkonzerns.
Was verband diese beiden so unterschiedlichen Menschen?
Elisabeth Åsbrink erzählt aber noch mehr: Anhand von 500 im Nachlass von Otto Ullmann gefundenen Briefen, die seine Eltern ihm zwischen 1939 und 1944 fast täglich schrieben, entfaltet sie das Schicksal dieser jüdischen Familie und offenbart ein »Epizentrum des Kummers«.


Leseprobe

Zur Autorin

Elisabeth Åsbrink , geboren 1965, lebt als Schriftstellerin, Journalistin, Fernsehproduzentin und Autorin in Stockholm. Sie arbeitet außerdem für Schwedens populärstes Radioprogramm Sommar in P1, wo sie u. a. Sendungen für das frühere ABBA-Mitglied Björn Ulvaeus produziert hat. Und im Wienerwald stehen noch immer die Bäume ist ihr drittes Buch, für das sie 2011 mit dem August-Preis für das beste Sachbuch des Jahres ausgezeichnet wurde.
http://www.elisabethasbrink.se/

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Eure Katja

*** Wichtig ***Ihr solltet Minimum eine Rezension in eurem Profil haben, damit ich sehen kann wie ihr eure Rezensionen schreibt und wie aussagekräftig sie sind.
Nehmt doch einfach euer zuletzt gelesenes Buch und schreibt darüber.
Ein Leitfaden, wie eine Rezension aufgebaut ist, findet ihr hier: http://www.lovelybooks.de/Leitfaden_Rezensionen.pdf oder auch hier in diesem Thread, wo alles Wissenswerte zusammengefasst ist: http://www.lovelybooks.de/thema/Leitfaden-f%C3%BCr-Rezensionen-und-Leserunden-1017409772/


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