Kannst Du in die Welt der Bücher abtauchen? Ganz tief? Gibt es wertvolleres als eine alte Landkarte? Elisabeth Beer erzählt hier ihren wundervollen warmherzigen und feinsinnigen Erstlingsroman über das Leben und die Leidenschaft mit Büchern aus der Sicht einer Antiquitätenhändlerin und Restauratorin im Zusammenspiel mit einem Bibliothekar. Das Buch ist mehr wie Bücher, mehr wie das Leben, es ist Leidenschaft, Trennung, Trauer, Tod, Humor, Liebe, Familie und das Erinnern. Es geht um Familiengeheimnisse von Krankheit und Liebe und Selbstfindung. Dabei läuft eine bibliophile Handlung über die alte Karte Tabula Peutingeriana, die in der Wiener Hofbibliothek liegt und deren erstes Segment fehlt und bis heute nicht wiedergefunden wurde. Dieses ist der Faden, um den sich diese Geschichte schlängelt.
Das Buch ist im gebundenen Hardcover mit Umschlag und Leseband herausgegeben. Der Preis ist für die schöne Ausgabe mit 432 Seiten angemessen. Das Cover ist schlicht mit vier Büchern und zwei Schildkröten gezeichnet. Die Töne orange und blau dominieren dezent. Das Buch startet mit dem Teil Pars III und geht weiter bis zu Teil Pars I in der Zählung und endet schließlich mit einem Teil mit Sternchen außerhalb dieser Zählung. 63 Kapitel sind übersichtlich und eröffnen einen sehr guten Lesefluss. Es gibt weiter ein kurzes Nachwort und eine kurze Danksagung sowie ein Inhaltsverzeichnis. Das Buch ist aus der Ich-Perspektive von Sarah geschrieben, die autistische Züge an den Tag legt und in ihrer ganz eigenen Welt lebt, die sich um Bücher, ihre Tante und ihre Schwester sowie um zwei Schildkröten dreht. Durch Rückblenden in Kindheit und Jugend sowie die Erzählung im Hier und Jetzt entstehen zwei Lebensbiographien. Das Buch ist bibliophil, romantisch und so lebens- und reisebejahend. Es werden in der Geschichte Zitate und Titel von mehreren Klassikern der Literatur nebenbei erwähnt. Im Kontext des Buches geht es sehr dezent und doch klar um Sexismus, Rassismus und Emanzipation.
„Bis ich befürchtete, ich würde es verlieren, habe ich das Lesen nie geliebt. Man liebt das Atmen nicht.“ Harper Lee.
Sarah und ihre Schwester wurden jung als Weisen von ihrer Tante Amalia aufgenommen, da ihre Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sind. Sie ist wie ihre Tante dann zur Buchjägerin und Kartensammlerin, Antiquarin und Restauratorin von alten Büchern und Karten geworden. Von ihrer Tante lernt mehr als nur Bücher kennen: Toleranz, Liebe, Wärme und den Glauben an die Wunder der Welt.
Sarah kommt schlecht mit sozialen Situationen klar und ist lieber allein mit sich, sie hat autistische Züge. Es ist wundervoll, wie Beer durch die Augen von Sarah eine wundervolle Welt beschreibt: „Und wenn ich etwas wie den frisch-feuchten Geruch der Wasserpumpe rieche, dann fühle ich mich einen Moment lang sowohl traurig als auch geborgen, und ich spüre geradezu die Wurzeln und Bucheckern in meinem Rücken zwicken.“ Sinnlich, rational, leidenschaftlich und melancholisch sowie witzig. Eines Tages erzählt sie davon, wie sie mit Küssen von verschiedenen Jungen experimentiert hat. Wo ist dabei das Problem, wenn man dazu eine große Probandengruppe nimmt?
Eines Tages klopft ein englischer Bibliothekar Benjamin an die Tür, um gemeinsam mit Sarah nach dem verlorenen ersten Segment von zwölf einer alten römischen Karte – der Tabula Peutingeriana zu suchen. Auf diesem soll Westengland verzeichnet sein und der Fund dieses Teils wäre ein Fund von historischem Ausmaß. Sie beginnen eine riesige Schatzsuche. Der Weg führt sie von Köln über
Frankreich nach England. Dabei knistert die Romantik dezent und doch so hoffnungsvoll immer wieder auf die Seiten, dass einem selbst das Herz beim Lesen klopft und die Ungeduld springt.
Idiotie und Mut liegen beim Sammeln und Jagen und in der Liebe nah beieinander. Bücher sind Sarahs Zuflucht und ihre Welt aus Papier, ihre heiligsten Schätze. Da kann sie sich gut vor der Welt verstecken, die zu lärmend, zu stinkend, zu kreischend und zu schmerzhaft ist. „Es gibt schließlich keine bessere Schule fürs Leben als Bücher.“
Beer öffnet eine kleine Tür in das Narnia der großen Welt der Bücherjäger und Antiquare.
Ein romantisches Buch über eine verlorene Karte und das Abschiednehmen von geliebten Menschen sowie das Knistern der Liebe. Wusstest Du, „dass die Gesänge der Zikaden, die von Liebenden sind, die ihren Partner verloren haben?“. „Liebe und Schmerz sind unsere kompliziertesten Gefühle.“
“Es ist okay, sich eine Weile in Büchern zu verstecken, wenn dir die Welt zu viel wird, meine Kleine. Dafür sind Bücher da.“ Eine Hommage an alte Bücher und Karten.
5 Tagebücher und eine absolute Empfehlung für die wunderschönen Erinnerungen im Leben und diesen sanften leidenschaftlichen Roman, der wie eine Landkarte über die verschlungenen Wege der Liebe geschrieben ist. „So kann eine Karte aus längst vergangener Zeit im Hier und Jetzt den Weg ins Lebens weisen.“
„Man kann Menschen vermissen, diejenigen die nicht mehr da sind, und manchmal auch diejenigen die es noch sind.“
„Jede Bibliothek versammelt unendlich viele Welten.“
„Dies sind nicht die letzten Seiten meines Buches.“ „Und das war also der Anfang.“