NEUBEGINN AUF DER KARIBIKINSEL ST. KITTS...
Elisabeth ist Mitte vierzig, hat einen guten Job und drei erwachsene Kinder. Aber soll es das schon gewesen sein, das gute Leben? Nach einem Urlaub auf der idyllischen Karibik-Insel St. Kittâs beschlieĂt sie auszuwandern. Ein Grund dafĂŒr: der rĂ€tselhafte Kwando, ein Rastafari und spiritueller Heiler, der sie geradezu magisch anzieht. Elisabeth lĂ€sst sich auf ein neues Leben in einer fremden Kultur ein. (Klappentext)
ErzĂ€hlt wird dieser Erfahrungsbericht aus der Ich-Perspektive, nahezu einem Tagebuch entsprechend, und tatsĂ€chlich beinhaltet das Buch die realen Erlebnisse der Autorin. Zu Beginn prĂ€sentiert sich die Ăsterreicherin Elisabeth, genannt Lisuscha, mit ihrem Leben in BrĂŒssel als Botschaftsangehörige. Sie ist seit Jahren von ihrem Mann geschieden, von den drei Kindern lebt nur noch die Tochter bei ihr, die anderen gehen bereits ihre eigenen Wege. Die Arbeit in der Botschaft gefĂ€llt Elisabeth schon lange nicht mehr, zumal der Botschafter sich ihr gegenĂŒber wenig freundlich verhĂ€lt. WĂ€hrend eines Urlaubs auf der Karibikinsel St. Kitts im Hause ihrer Freundin Helen merkt Elisabeth, was ihr wirklich gut tut: die WĂ€rme, die Entschleunigung, die Herzlichkeit. Die depressiven Verstimmungen sind wie weggeblasen, und am Ende ihres Urlaubs nimmt ein Gedanke immer mehr Formen an: Lisuscha will ihr Leben Ă€ndern.
Kaum zurĂŒck in BrĂŒssel, reifen die PlĂ€ne ĂŒberraschend schnell heran. Elisabeht nimmt sich eine lĂ€ngere Auszeit von ihrer Arbeit an der Botschaft und will auswandern - auf St. Kitts will sie ambitioniert als Koordinatorin an einem Landwirtschaftsprojekt der Kirche mitarbeiten, auch wenn sie selbst dazu kaum Hintergrundwissen besitzt. Diese Entscheidung fĂ€llt zumindest in der Darstellung seltsam hopplahoppmĂ€Ăig, was ich nicht so recht nachvollziehen konnte. Immerhin gibt Elisabeth doch einige Sicherheiten auf. Und sie setzt ihre Entscheidung auch gegen den Willen ihrer Kinder durch, die ihre Mutter lieber nĂ€her bei sich wissen wĂŒrden. Auch das wirkte auf mich etwas seltsam, zumal auch die jĂŒngste Tochter nach dem Abi auszieht und ihr Studium beginnt. Alle flĂŒgge und trotzdem klammern? So kam es jedenfalls bei mir an...
Die Spanne in Europa wird hier jedenfalls recht schnell abgehandelt, um sich dann um so ausfĂŒhrlicher dem Leben auf St. Kitts zu widmen. Schnell wird deutlich, dass der Unterschied Urlaub vs. Alltagsleben schon eklatant ist, aber Elisabeth hĂ€lt an ihrer Entscheidung fest und stĂŒrzt sich voller Feuereifer auf ihre neue Aufgabe. Da sie intelligent und strukturiert ist, kann sie das Projekt adĂ€quat begleiten, stellt aber auch Mitarbeiter:innen fĂŒr die konkrete Arbeit mit den schwierigen Jugendlichen und die eigentliche Arbeit auf dem Feld ein. Doch oft genug muss auch Lisuscha tatkrĂ€ftig mit anpacken. Zudem begegnet sie schon bald einem Rastafari, der auf der Insel als traditioneller Heiler arbeiet (tief in seinem christlichen Glauben verankert, heilt er Menschen, die durch Obeah, eine karibische Version von Voodoo, verhext wurden) und auĂerdem BienenschwĂ€rme ohne jede Schutzkleidung entfernt: den Honigmann.
Eine groĂe aber schwierige Liebe entwickelt sich zwischen den beiden, sie scheinen wie fĂŒreinander geschaffen zu sein - ohne jeden Kitsch. Doch Alkohol und Drogen lassen bei Kwando ganz andere Seiten hervortreten, die es Elisabeth schwer machen, an ihrer Liebe festzuhalten. Unmöglich sogar? TatsĂ€chlich steht diese Liebe mit ihren Aufs und heftigen Abs im Mittelpunkt der ErzĂ€hlung. Die anderen Begebenheiten und die VerhĂ€ltnisse auf der karibischen Insel erfĂ€hrt man teilweise nur zwischen den Zeilen wie nebenher. Hier hĂ€tte ich mir doch mehr Einblicke gewĂŒnscht. Die Verschiedenheit der Kulturen, die die Autorin hier gleichberechtigt nebeneinander stellt, kommt jedoch auch so zum Tragen.
Das Berichthafte der ErzĂ€hlung hĂ€lt Lesende wie Hörende auf Distanz - hier werden wenig Emotionen preisgegeben, man kommt den Figuren samt der Ich-ErzĂ€hlerin nicht wirklich nah. So fĂ€llt es schwer, einige von Elisabeths Entscheidungen nachzuvollziehen, und auch die Person als solche kristallisierte sich fĂŒr mich nicht deutlich heraus. So wirkt Elisabeht oftmals sehr sachlich und neutral - nicht nur bei ihrer Arbeit, sondern auch im privaten Leben: ein Problem -> eine Lösung, meist ohne die dazugehörigen Emotionen. Dem Honigmann und ihren Freund:innen zufolge scheint es auch viel Liebenswertes an Lisuscha zu geben, was man AuĂenstehende jedoch allenfalls erahnen kann. Das fand ich schade.
Claudia Falk liest die ungekĂŒrzte Hörbuchausgabe (6 Stunden und 33 Minuten) fast schon erschreckend passend zum nĂŒchternen ErzĂ€hlstil. GleichmĂŒtig liest sie die Zeilen, nahezu ohne Betonung und Emotionen. AbsĂ€tze oder Abschnitte werden nicht beachtet, sondern alles hintereinander weg gelesen, so dass man oft erst zwei oder drei SĂ€tze spĂ€ter merkt, dass sich die ErzĂ€hlung gerade einem ganz anderen Punkt zugewandt hat. Da gibt es definitiv Verbesserungspotenzial!
Trotzdem liefert die autobiografische ErzÀhlung nicht nur interessante wenn auch kurze Einblicke in Natur, Bevölkerung, Traditionen auf St. Kitts, sondern sie macht auch Mut, das eigene Leben zu verÀndern, wenn man denn in einer Sackgasse gelandet ist. Es muss ja vielleicht nicht gleich ganz am anderen Ende der Welt sein...
© Parden





