Cover des Buches Donnerstags bei Kanakis (ISBN: 9783552056725)
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Rezension zu Donnerstags bei Kanakis von Elisabeth de Waal

Hinter der schönen Fassade

von Schreibschnegel vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Eine poetische Sprache, vielfältige Charaktere und ein nostalgischer, doch entlarvender Blick auf das Wien der Nachkriegszeit - wundervoll!

Rezension

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Schreibschnegelvor 10 Jahren
Wien, 1954: Theophil Kanakis, ein reicher Geschäftsmann, kehrt in seine Heimat zurück, um sich in einem restaurierten Palais niederzulassen und sich in Gesellschaft der Einflussreichen und Schönen zu amüsieren. Seine Vorliebe gilt dabei insbesondere dem attraktiven, aber mittellosen Fürst Lorenzo Grein-Lauterbach, der nach einer reichen Partie sucht, um wieder standesgemäß leben zu können. Lorenzos ältere Schwester Nina hingegen legt keinen Wert mehr auf ihren Adelstitel und interessiert sich viel mehr für den jüdischen Heimkehrer Professor Adler, mit dem sie zusammenarbeitet. Währenddessen lernt Lorenzo Marie-Theres kennen, eine wunderschöne junge Amerikanerin österreichischer Abstammung, die sich leidenschaftlich in ihn verliebt. „Donnerstags bei Kanakis“ nimmt das Unheil seinen Lauf …

Dieser außergewöhnliche Roman von Elisabeth de Waal, von ihrem Enkel Edmund de Waal in ihrem Nachlass entdeckt, fesselt durch eine präzise, doch poetische und zuweilen spöttische Sprache, die das Wien der Nachkriegszeit und die Komplexitäten seiner Milieus fein und lebendig nachzeichnet. Die Handlung erscheint auf den ersten Blick simpel, doch es geht dabei nicht um eine Was-, sondern um eine Wie-Spannung: Schon auf den ersten Seiten erfährt der Leser den Ausgang des Romans, aber der Weg dorthin ist es, der langsam und subtil einen Sog entfaltet, dem man sich nur schwer entziehen kann. Elisabeth de Waal schildert ihre vielfältigen Charaktere mal distanziert, mal ganz nah, mal respektvoll, mal mit gesunder Ironie, doch immer individuell und einprägsam. Jeder und jede in diesem Roman hat Macken und Tugenden, die stellenweise unerwartet ineinander spielen. Und wie es typisch für Wien ist, kann niemand sagen, was sich hinter der schönen Fassade verbirgt.

„Donnerstags bei Kanakis“ ist etwas für Leser, die sich in klangvollen Sätzen und wortgewandten Dialogen verlieren wollen; die vielleicht selbst dem Reiz Wiens erlegen sind; und die in eine einzigartige Stimmung zwischen Niedergang und Wiederaufbau, Tradition und Aufbruch, Nostalgie und Gesellschaftskritik eintauchen wollen.
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