Rezension zu "Ein Band von meinem Herzen bricht" von Elke Schmidle
Es ist noch nicht so lange her, dass von Kindern unbedingter Gehorsam verlangt wurde. Dass der auch zu ungewollter Abhängigkeit von charismatischen Persönlichkeiten führen kann, zeigt dieses Buch.
Die 1959 geborene Autorin erzählt sehr lebendig über ihre Kindheit als jüngste von vier Geschwistern. Ihre Eltern wurden als Jugendliche von den Idealen des Nationalsozialismus geprägt und haben sich so manche Erziehungsrichtlinien zu eigen gemacht. So wurde Elke Schmidle zu einer jungen Frau, die sich nicht gegen Übergriffe von Außen zu wehren wusste. Sie schloss sich vertrauensvoll einer „Führerin“ im Glauben an, die weit über jedes christliches Ziel hinaus schoss. Diese „Führerin“ war so charismatisch, dass es auch den wenigen hellhörig gewordenen Erwachsenen nicht gelang, die jungen Menschen aus dieser Abhängigkeit zu lösen. Eigentlich hatten sie ja auch nichts Böses im Sinn – sie wollten mit Magdas Hilfe nur „besonders gute Christen“ werden.
„Oft empfand ich starken Widerstand gegen diese Gebetskämpfe“ (stundenlang wurden Fürbitten für jeden einzelnen Namen, der ihnen einfiel, gehalten), „aber damals gab es für mich keine Möglichkeit zu entrinnen … Es war für mich eine unlösbare, ausweglose Situation: in mir stritten der verzweifelte Wunsch, einfach leben zu dürfen – ich war 22 Jahre alt! - die Angst, unsere große Sache durch meinen Ungehorsam zu gefährden, die Angst, Magdas Vertrauen in mich zu enttäuschen, und die Schuldgefühle dafür, dass in mir so viel Zerrissenheit herrschte.“ (Seite 83)
Magda entpuppte sich immer mehr als psychisch krank und schaffte es sogar, ihre „Nachfolger“ anzustecken. Sie gaben ihre Arbeit oder das Studium auf (und damit jede soziale Absicherung), „um ganz für Gott da zu sein“.
Was ich da zu lesen bekam, war einfach schrecklich! Hier wurde deutlich, wie religiöser Fanatismus entstehen kann. Elke musste erst ganz tief sinken, ehe sie die Notbremse zog und Hilfe suchte. Nun lernte sie, was wichtig im Leben ist: „Ein geregelter Tagesablauf, gutes Essen, saubere Kleidung, ein warmes Bett, menschliche Zuneigung, lachen und fröhlich sein.“ (Seite 133)
Ehe die eingefrorenen Gefühle wieder auftauten, verging viel Zeit. Über Jahrzehnte arbeitete sie hart daran, um etwas Leichtigkeit im Leben zu spüren. Immer wieder stellte sie fest: „Wir tragen nicht erwachsen gewordene Anteile in uns, und sie blockieren uns noch als Erwachsene, mischen sich immer wieder in unsere Gefühle und Reaktionen ein.“ Deshalb ist die Autorin auch überzeugt davon, „dass jeder Blick zurück dazu diente, im Heute besser leben zu können.“
Selten lässt mich ein Buch so zwiegespalten zurück. Es hat mich angesprochen – aber auch abgestoßen. Diese Hörigkeit, von der ich hier lesen konnte, hat mich erschreckt. Obwohl mir der Stil der Autorin nicht besonders gefiel, entwickelte das Buch einen gewissen Sog – denn es macht klar, wie leicht junge Menschen vom richtigen Weg abkommen können und wie schwer es ist, ihn wieder zu finden. Buchtipps auf den letzten Seiten ergänzen das Thema.