Rezension zu "Deutsch-jüdisches Familienbild" von Ellen Brombacher
Mancher wird die Autorin aus DDR-Tagen kennen, als sie in Berliner Bezirksleitung der SED für die Kultur in der Hauptstadt zuständig war. Aber nach mehr als drei Jahrzehnten dürften das nicht mehr allzu viele sein. Letztlich ist es auch egal. Die wenigen, die sich erinnern, werden sich verwundert die Augen reiben. Und für die meisten anderen ist es eine Entdeckung. Diese Frau, die in den fünfziger Jahren mit der Mutter vom Westen in den Osten ging, hatte eine weitläufige Familie, die die Nazis brutal dezimierte. Vierzig Angehörige überlebten die Shoa nicht, mindestens vierzig. Andere retteten sich ins Ausland und setzten sich – wie ihre Mutter in Belgien – gegen die Besatzer zur Wehr. Ellen Brombacher, inzwischen Mitte siebzig, hat darüber nie öffentlich berichtet. Jetzt, mit diesem Buch, tut sie es endlich. Die Publikation ist eine Montage aus Briefen, Dokumenten, Postkarten aus dem KZ Sachsenhausen (wo ihr späterer Vater inhaftiert und sein Bruder, Brombachers Onkel, ermordet worden war). Es gibt ein längeres Interview mit ihr und Reflexionen anderer über tote und überlebende Familienangehörige. Aus vielen Elementen zeichnet sie das plastische Bild einer deutsch-jüdischen Familie, die sie als Persönlichkeit geprägt hat: in ihrem Verhalten, in ihrer Weltsicht, in ihrer politischen Überzeugung. Das geschieht ruhig, unaufgeregt. Darin liegt die Stärke dieser 237 Seiten. Und dennoch ist auch Bitterkeit dabei. In den frühen neunziger Jahren, bar eines Amtes, arbeitete Brombacher in der Küche eines Kindergartens und wurde vom Bezirksamt Berlin-Mitte gefeuert. Mit einer solchen Vita sei sie in einem „so sensiblen Bereich“ – sie schälte Kartoffeln und kochte Suppe – „nicht tragbar“. Das Kündigungsschreiben ist faksimiliert. Mehr Kommentar muss nicht sein, wie hierzulande bisweilen mit der Vergangenheit umgegangen wurde. Oder wird?