Rezension zu "Schoscha" von Isaac Bashevis Singer
Die Geschichte beginnt kurz nach dem 1. Weltkrieg, springt nachher in die dreissiger Jahre und spielt im jüdischen Umfeld von Warschau. Warschau zwischen dem stalinistischen Russland und dem nationalsozialistischen Deutschland, an der Schwelle zum 2. Weltkrieg.
Aaron Greidinger, die Hauptperson der Geschichte, ist der Sohn eines Rabbiners und wächst in der jüdischen Tradition auf. Wenn er nicht die Schriften studiert, besucht er so oft er kann, Schoscha, die scheue und etwas zurückgebliebene Nachbarstochter und ihre Mutter. Bei ihnen fühlt er sich geborgen. Sie spielen miteinander und Aaron erzählt Schoscha seine Geschichten. Irgendwann aber ziehen die Familien weg und die Kinder verlieren sich aus den Augen.
Später, bewegt sich Aaron, inzwischen ein junger Mann, in Schriftstellerkreisen und im Bannkreis ganz unterschiedlicher Frauen ohne sich irgendwie festzulegen. Die Lage wird immer kritischer und jeder versucht sich die drohende Entwicklung auf seine Art zu erklären und auf seine Art damit zu leben.
In dieser Zeit trifft Aaron ganz zufällig auch wieder auf Schoscha. Sie ist wie ein Kind geblieben und wohnt noch bei ihrer Mutter. Sie erkennt Arele, wie sie ihn nennt, sofort wieder, hat jeden Tag an ihn gedacht. Auch Aaron spürt wieder diese Vertrautheit von früher. Gegen alle Widerstände bleibt er nun bei Schoscha, obwohl er zweimal die Möglichkeit erhält, nach Amerika zu fliehen. Schoscha würde es nicht überleben von ihrer Mutter getrennt zu sein und Aaron kann sie auch nicht allein lassen.
Der grösste Teil der Geschichte wird im Gespräch zwischen den einzelnen Personen erzählt. Dadurch ist der Leser mittendrin im Geschehen. Es werden viele Fragen gestellt und nach Antworten gerungen. Aber letztendlich gibt es keine Erklärung für den ungeheuerlichen Lauf der Welt.
Isaac B. Singer erzählt hier einen Teil seiner eigenen Geschichte, gemischt mit fiktionalen Elementen und zeichnet ein bewegtes, buntes Bild des osteuropäischen Judentums. Schön fand ich auch die eingestreuten philosophischen Ansätze. Sie haben die Tragik der Geschichte etwas erträglicher gemacht. Eine Erzählung gegen das Vergessen - es kann nicht genug davon geben.