Rezension zu "Cuba" von Elliott Erwitt
Dieser Satz stammt aus dem euphorischen Vorwort zu diesem zweigeteilten Bildband. Am Anfang findet man einige Fotos, die Erwitt 1964 bei seinem ersten Kuba-Aufenthalt machte. Danach folgen Bilder aus den Jahren 2015 und 2016. Alle in schwarz-weiß, eben Erwitt-typisch. Allerdings endet das Typische hier schon. Wo ist Erwitts berühmter Sinn für die Komik des Augenblicks? Die Suche bleibt vergebens. Schon 1964 hatte der Fotograf offenbar eine Sichtweise in seinem Kopf, die sich von seinen anderen Bildbänden deutlich unterscheidet. Castro und Che, den Ikonen linker Hoffnungen, bei der Erschaffung des "neuen Menschen" über die Schulter zu schauen, war möglicherweise seine Intention. Ein halbes Jahrhundert später sieht das Ergebnis dieses Experiments ernüchternd aus. Wenigstens das dokumentiert Erwitt deutlich.
Seinen Bildern fehlt fast immer die karibische Fröhlichkeit, mit der die meisten Kubaner das sozialistische Experiment ertragen haben. Da Erwitt sich fast ausschließlich für Menschen interessiert (seine Hunde-Leidenschaft ist hier sowieso weit abseits des Themas) muss man sich nicht wundern, dass der morbide Zustand von Gebäuden und Infrastruktur auf Kuba kaum eine Rolle auf seinen Bildern spielt. Wenn dieser Band überhaupt eine Aussage besitzt, dann wohl die, dass sich in 50 Jahren fast nichts geändert hat, sieht man einmal vom Zerfall ab.
Das kratzt vielleicht ein wenig am Lack der einstigen Revolution, führt aber dem Zeitgeist folgend nicht wirklich zu tieferem Nachdenken. Dafür ist bereits das merkwürdige Vorwort ein deutlicher Beleg. Kein Wort über 50 Jahre Diktatur auf dieser Insel, die natürlich Opfer forderte. Und wohl nicht wenige. Stattdessen werden die "Revolutionsführer" mit fast schon religiöser Hingabe verehrt. Ein fröhlicher Che mit Zigarre auf dem Cover als Sinnbild einer offenbar niemals aussterbenden Ausblendung der Realität.
Wäre nicht mein unendlicher Respekt vor Erwitt, so hätte ich diesem Bildband wohl eine andere Bewertung gegeben.