Cover des Buches Raylan (ISBN: 9781780222301)
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Rezension zu Raylan von Elmore Leonard

Rezension zu "Raylan" von Elmore Leonard

von M.Lehmann-Pape vor 11 Jahren

Rezension

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M.Lehmann-Papevor 11 Jahren
Auf den Punkt getroffene Atmosphäre Raylan Givens ist cool, strikt, durchaus mutig und, wie man es sich bei einem Marshall in der Tradition echter Männer vorstellt, absolut gerade heraus. Sein Stetson ist Ausdruck aktueller und realer Haltung, nicht Reminiszenz an idealtypische Traditionen. Beileibe aber nicht legt Leonard eine einfache, stereotype Figur vor. Geschickt, in Nebensätzen, lässt er immer wieder mit einfließen, dass hier kein unverwundbarer „Superheld“ seinen Dienst in der südlichen amerikanischen Provinz versieht, sondern einer, der „trotzdem“ er sieht, was geschehen könnte und was auf ihn an Schwierigkeiten zukommen könnte, das tut, was er an geradem und richtigem Weg erkennt. Keinen Zentimeter weicht er vor Konfrontationen zurück. Auch wenn er weiß und zugesteht, oft im Vorfeld, dass auch er gleich Schmerzen zu befürchten hat. „„Sollten Sie meine Söhne je direkt mit diesen Vorwürfen belästigen“, sagte Pervis und holte unter der Theke eine Flasche Schwarzgebrannten hervor...., „wird das hier ihre Schmerzen lindern“. Selbstredend wird Given Gelegenheit finden, den Whiskey zu probieren und selbstredend interessiert ihn diese Drohung nicht die Bohne. Denn Raylan ist „im Lauf“. Als er eine Verhaftung an einem Drogendealer vornehmen will, findet er diesen in einer Badewanne voller Eis. Operiert. Ohne Nieren. Sauber wieder zugenäht. Am nächsten Tag erhält der Kriminelle das Angebot, seine beiden Nieren für einhunderttausend Dollar zurückzukaufen. Ein Deal, der Raylan Given nicht gefällt und da er einen konkreten Verdacht hat, wer zumindest an dieser „Operation“ beteiligt war, geht er der Sache nach. Mit seiner ihm typischen, unerbittlichen, höflichen Klarheit. Mit dem Hinweis am rechten Ort gegenüber dem ein oder anderen drohenden Möchtegern-Gangster, dass er nur deswegen keine Waffe in der Hand hält, weil er nur zieht, wenn er die Waffe benutzt. Und danach das Verhör auf ewig beendet wäre. Durchaus eilt sein Ruf ihm voraus, niemand zieht so schnell wie er. Anklänge an den „wilden Westen“ sind nicht zufällig, das Bild des höflichen, aber eisenharten Marshalls hat Leonard seinem Raylan auf den (fiktiven) Leib geschneidert. Einer, der sich „in die Höhle des (jeweiligen) Löwen“ begibt, in einer Geschichte, die durchaus Härte und Brutalität kennt, die Leonard ebenso gerade heraus und plastisch zu beschreiben versteht, wie der die Beziehungen zwischen den Figuren und die inneren Haltungen direkt und klar vor Augen zu führen versteht. Im eigentlichen Sinn ein „kriminalistischer“ Thriller ist „Raylan“ nicht. Wer aus welchen Motiven hinter den einzelnen Verbrechen steht, wer wen an welchem Punkt wie nebenbei erschießt, darüber lässt Leonard den Leser nicht im Zweifel. Wohl aber versteht er es, den Spannungsbogen durch die zunehmende Bedrohungssituation seiner Hauptfigur gegenüber zu steigern. Im Verlauf der Geschichte muss Given irgendwann deutlich Sorge um seine eigenen Innereien tragen. Denn, wer kann gefährlicher sein, als eine „coole Frau mit bösen Absichten“?. Dies alles bettet Leonard ein in die raue, auch von aufgesetzter Männlichkeit besetzte Welt des Südens Amerikas. Wo es die Partnerin von Raylan als Afroamerikanerin per se schwer hat, wo auf wogenden Feldern Marihuana im großen Stil angebaut wird, wo Bildung im Sinne von „gebündelten Geldpaketen“ verstanden wird. Und wo sich keiner die Butter vom Brot zu nehmen gedenkt. Atmosphärisch dicht, sprachlich auf den Punkt, mit einem coolen bis stoischen, durchaus zudem höflichen und charmanten, Marshall versehen, bietet „Raylan“ hervorragende Unterhaltung.
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