Cover des Buches Morgan`s Hall (ISBN: 9783748112440)
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Rezension zu Morgan`s Hall von Emilia Flynn

Auftakt eines neuen Familienepos

von Antek vor 5 Jahren

Rezension

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Antekvor 5 Jahren

Morgan´s Hall im November 1937: John Morgan muss seinen Vater überraschend zu Grabe tragen und bevor er in dessen Fußstapfen tritt und die Apfelbaumplantage samt Kelterei übernimmt, soll er noch etwas von der Welt sehen. Der Vater und Mutter Josephine hatten bereits alles organisiert, Tickets besorgt und auch für Begleitung gesorgt. Mit dem Versprechen um das naziverseuchte Deutschland einen Bogen zu machen, gehen John und sein bester Freund Dickie auf Reise nach Europa. Die letzte Etappe ist Wien, wo sich John dem Kaiserschmarrn hingibt, Dickie eher der Frauenwelt. Doch als die beiden nach der Oper einen Abstecher in die Eden Bar machen, trifft John zum ersten Mal auch die Liebe auf den ersten Blick. Sängerin Isabelle hat ihm im Nu den Kopf verdreht und sein Herz erobert. Schuschnigg kapituliert, die Nazis überrennen Wien und plötzlich ist Sängerin Isabell in Lebensgefahr. John macht kurzen Prozess und nimmt seine Herzensdame, die sich allerdings viel mehr in Dickie verguckt hat, mit nach Morgan´s Hall.

Als Leser darf man dann mit auf Morgan´s Hall reisen und erleben, wie es Isabelle dort ergehen wird. Wird sie sich mit John arrangieren oder wird sich die Liebe zu Dickie doch noch durchsetzen? Zu viel will ich gar nicht verraten, nur für alle Beteiligten bricht eine sehr schwere Zeit an und die kommenden knapp 20 Jahre halten jede Menge Potential für einen bewegenden Familienepos bereit

Der flüssige Schreibstil der Autorin liest sich locker, leicht und die überschaubaren Kapitel, die zudem zur besseren Orientierung immer mit Datum und Ort überschrieben sind, fliegen regelrecht dahin. Sie spielt mit ihrem Erzähler mit unterschiedlichen Perspektiven, sodass man in die Köpfe der verschiedenen Charaktere blicken kann, was mir gut gefallen hat. Ihr gelingt es auch gut Emotionen beim Leser zu erzeugen, stellenweise war ich wirklich gerührt, oft baff erstaunt über so viel Gefühlskälte, und manchmal mochte ich fast nicht glauben, was ich lesen musste, weil mir das Herz geblutet hat. Nicht ganz so mein Ding waren die erotischen Szenen, die sich aber zum Glück im Wesentlichen auf den Beginn des Buches begrenzt haben.

Die Charaktere sind allesamt keine wirklichen Sympathieträger, sieht man von kleineren Nebenrollen, wie der von Johns herzensguter Mutter Josephine, Indianer Phil, der mit seinen guten Antennen für Gefühle, leider im Auftaktband nur selten mitspielen darf, oder den Kindern James und Elizabeth, die aber erst im letzten Abschnitt des Romans auftauchen, einmal ab. Am ehesten mochte ich sicher Dickie, auch wenn er bestimmt vielen Frauen das Herz bricht. Aber auch bei ihm war es ein Auf und Ab, toller Freund, mieser Verräter, der sich billig kaufen lässt, liebevoller Vater, da ist alles mit dabei. Auch John, anfangs so unbeholfen, dass man schmunzeln mag, dann überaus aufgeklärt, zielstrebig und resolut, dass man erschrickt, zudem brutal in Worten und Taten und dann doch zu unglaublich großer Liebe fähig. Mit ihm wird man als Leser ebenfalls in ein Wechselbad der Gefühle geworfen. Gar nichts konnte ich Isabelle abgewinnen. Für mich war sie billig, egoistisch und absolut gefühlskalt und auch Anflüge von eventuell ehrlich gemeinten Nettigkeiten, vor allem gegen Ende des Romans, konnten meine gebildete Meinung bisher nicht mehr ändern.

Morgan´s Hall ist eine kleine Siedlung europäischer Einwanderer in Amerika, in der Nähe von Seattle. Inzwischen atemberaubender Natur, abgeschieden lässt es sich dort bestimmt toll leben, zumindest wenn man auf die Moderne und den Trubel größerer Städte verzichten kann. Die Beschreibungen lassen den Leser sich dorthin träumen und ich bin sicher, ich hätte mehr Gefallen daran gefunden, wie Isabelle. Im Wien des Jahres 38 spielt nur ein sehr kleiner Teil der Geschichte. Auch wenn die Bedrohungen der jüdischen Bevölkerung zu spüren sind, für einen historischen Roman hätte ich mir etwas mehr erhofft, auch wenn die Rolle der Frau dann auf Morgans Hall in dieser Zeit durchaus transportiert wird. Aber vielleicht war ich auch nur ein wenig enttäuscht, weil der Aufenthalt in Wien durch erotische Elemente überlagert wird, was einfach nicht so mein Ding ist.

Lobend erwähnen möchte ich auch noch das Layout, die großzügige augenfreundliche Schrift und die tollen Blumenranken, die sich zu Kapitelbeginn finden, haben mir wirklich sehr gut gefallen.

Man darf die Morgans im Auftakt zur Trilogie etwa 19 Jahre lang begleiten und nun gilt es nach einem brutalen Cliffhanger abzuwarten, ob sich die Lebensweisheit, „das Gute besiegt immer das Böse“, in der Fortsetzung bewahrheiten wird.


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