Cover des Buches Feder im Sturm (ISBN: 9783426781791)
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Rezension zu Feder im Sturm von Emily Wu

Rezension zu "Feder im Sturm" von Emily Wu

von Dilbertine vor 14 Jahren

Rezension

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Dilbertinevor 14 Jahren
„Oberflächlich gesehen bin ich eine glückliche Person. Ich feiere, tanze, singe wie andere Menschen auch. Aber tief in mir ist etwas zerstört worden. Da ist eine Wunde, die immer blutet. Ich fühle sie nur nicht immer, weil ich mit meinen Kindern, meiner Arbeit, meinem Leben beschäftigt bin. Ich lasse mich nur nicht mehr fallen in meine Trauer. Ich schätze sehr, was ich habe.“ Emily Wu in einem Interview mit Welt-Online ************************** „Feder im Sturm“ ist die autobiografische Erzählung einer chinesischen Kindheit, die keine Kindheit war, während der „Großen Säuberung“ Chinas, bekannter unter dem Begriff Kulturrevolution. Emily Wu, deren chinesischer Name „Yimao“ lautet und übersetzt Feder heißt, ist knapp drei Jahre alt, als 38 Millionen Menschen in China verhungern, weil die so dringend benötigten Lebensmittel an andere sozialistische Länder weitergereicht werden, um die Möglichkeiten für die Herstellung einer Atombombe zu schaffen. 1966 erlebt Yimao, wie ihre Eltern, ihre Geschwister und sie selbst, von den „Roten Garden“ verfolgt, beraubt, körperlich geschändet, denunziert und gedemütigt werden. Ihre Familie wird im kommunistischen China der offiziell geltenden Kategorie „schwarze Familie“ zugeordnet, weil sie einen bürgerlichen Klassenhintergrund hat, Mutter und Vater als intellektuell eingestuft wurden und ihr Vater zu allem Unglück in Amerika Literatur studierte und somit unweigerlich als amerikanischer Spion gilt. Der Uniprofessor wird von seinen eigenen Studenten verprügelt, verfolgt und denunziert. ************** „Unsere Glückwünsche! Ihr alle folgt dem Ruf des Vorsitzenden Mao. Ihr siedelt in die Dörfer um, um von den Bauern zu lernen. Werdet so wie sie. Harte körperliche Arbeit wird euch von euren bourgeoisen Ansichten befreien. Wir entbieten euch unseren feierlichen Gruß und beglückwünschen euch.“ ************** Die Familie wird fünf Jahres aufs Land verbannt, wo sie der Willkür der einfach gestrickten Landarbeiter ausgesetzt ist, die ebenso vom krankhaften politischen Wahnsinn des Mao Tse Tung ergriffen sind und mit offenbar großem Vergnügen schlagen, rauben, misshandeln vergewaltigen und morden. Als wäre das nicht schon genug, wird das Mädchen auch noch mit dem Aberglauben und Überlieferungen, die das Denken und Handeln der Landbevölkerung bestimmen, konfrontiert. Besonders erschreckt hat mich die offen gelebte Feindlichkeit gegenüber dem weiblichen Geschlecht, schockiert haben mich die darin begründeten grausamen und detailliert beschriebenen Babymordmethoden. Yimao erlebt eine albtraumhafte, traumatisierende Kindheit und Jugend in einem Land, das auch heute noch häufig wegen der Verletzung von Menschenrechten im Fokus der Weltöffentlichkeit steht. Sie erzählt ihre Geschichte in einer gewaltvollen, brutalen und bedrohlichen, der Kulturrevolution eigenen, Sprache. („Du verderbte Konterrevolutionärin!“ „Ihr dreckigen schwarzen Schlampen!“ „Du dreckige Großgrundbesiterzin!“) Die Autorin Emily Wu musste ihren Weg finden, um mit den schmerzhaften Erinnerungen weiterleben zu können. 20 Jahre hat es gedauert, bis die literarische Verarbeitung ihrer Geschichte gelungen ist. Ihre persönliche Erfahrung, der Raub ihrer Freiheit, Kindheit und Jugend, ist eine Warnung und Herausstellung der Achtung des Lebens und der Würde des Menschen. Sachverhalte, die als Selbstverständlichkeiten beim europäischen Leser gelten, aber es leider weltweit immer noch nicht sind. „Feder im Sturm“ steht laut einem Interview mit der Autorin auf dem chinesischen Index. Da verwundert es wenig, dass 40 % der chinesischen Bevölkerung Mao Tse Tung immer noch als den Schöpfer der Einheit und Unabhängigkeit ansehen.
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