Rezension zu "La Maison" von Emma Becker
Sensation!? Provokation!?
Die junge Pariser Autorin verbringt zwei Jahre in einem Berliner Bordell, um ein Buch darüber zu schreiben. Natürlich musste ich das Buch lesen! Die Idee ist verwegen und provokant, der Inhalt erstaunlich einfühlsam. Sie schreibt über Frauen, die ein Doppelleben führen, Krankenschwestern, Alleinerziehende und Ehefrauen, die freiwillig „anschaffen“ gehen – und mit ihrem Leben durchaus zufrieden sind. Über ein Bordell, in der Sexarbeit ein normaler Job ist, der fast als soziale Geste für schüchtere, bemitleidenswerte Männer angesehen wird... Ehrlich gesagt, war ich ein bisschen enttäuschend. Ich hätte doch etwas mehr Verruchtheit, Erotik, Schamlosigkeit erwartet. Komplett ausgelassen werden die Schattenseiten des Rotlichtmilieus wie Zwangsprostitution, Gewalt oder Abhängigkeiten von Zuhältern. Nur ein paar Erfahrungen mit schamlosen, respektlosen Männer, Geschichten von Wut, Ekel, Selbstzweifel und Angst werden angedeutet. Was aber in der Welt dieses wohlbehüteten Bordells aufgefangen wird.
Also doch kein Skandal im Literatur-Sperrbezirk. Sondern ein ungewöhnliches Buch über eine Welt, die ausgegrenzt wird, über Huren und ihre Kunden und über ein Freudenhaus, das tatsächlich auch Frauen Freude bereitet – und Geborgenheit geben kann.
Interessant finde ich, dass die Rezensionen bei Amazon fast alle von Männern sind…! Männer haben angebissen – Frauen interessiert das nicht?